31.08.2023

Interview Kährs: „Wir sind gut aufgestellt“

So schnell kann sich der Markt drehen: Noch vor anderthalb Jahren war Parkett ein knappes Gut, jetzt quellen die Läger über. Auch Kährs bleibt von der Nachfrageflaute nicht verschont, hat sich aber frühzeitig und flexibel auf die veränderte Situation eingestellt. Wie man ihr begegnet, die künftige Entwicklung sieht und weiter vorgehen will, beleuchtete Parkett Magazin im Gespräch mit DACH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Robert Bieger, DACH-Verkaufsleiter Handel Dirk Indorf, DACH-Objektverkaufsleiter Joschua Bieger und DACH-Marketingleiter Sebastian Fleck.

Parkett Magazin: Herr Bieger, vor nicht ganz anderthalb Jahren saßen wir auch hier zusammen. Damals war die Nachfrage nach Parkett groß, aber die Beschaffung schwierig. Jetzt ist genügend Ware vorhanden, die Lager sind voll, aber die Geschäfte leer. So schnell kann sich der Markt drehen, so volatil ist das Geschäft geworden. Kährs hat seine Produktion frühzeitig entsprechend angepasst und die Kapazitäten zurückgefahren – sicher ein Grund, warum Sie im ersten Quartal dieses herausfordernden Jahres trotz Umsatzrückgängen rentabel waren. Und ein anderer das sich positiv entwickelnde Objektgeschäft?

Robert Bieger: Ja, die Nachfragesituation hat sich deutlich verändert, im Parkettbereich sogar drastisch. Das gilt für den gesamten Parkettmarkt in Zentraleuropa. Was das Objektgeschäft betrifft, trennen wir zwischen dem Wohnobjekt, das wir mit Parkett und LVT bedienen, dieses ist unserer Organisation Handel zugeordnet. Und dem gewerblichen und öffentlichen Objektbereich, der z.B. die Segmente Health Care und Education beinhaltet und in dem wir uns mit unseren Spezialprodukten aus dem Werk Finnland bewegen. Dieser ist der Organisation Commercial/Objekt zugeordnet und dieser Bereich hat tatsächlich nochmals zugelegt.

Gleichwohl gibt es auch auch im Wohnobjektgeschäft dieses Jahr, zumindest bisher, aus unserer Sicht einen durchaus vernünftigen Geschäftsgang, weil sich viele Wohnobjekte durch die Pandemie verzögert haben und immer noch relativ viele fertiggestellt wurden und werden. Wohingegen wir für nächstes Jahr ein großes Loch erwarten.

Und die Geschäftslage allgemein... im Parkettbereich ist sie ohne Frage schwierig, wobei es große Unterschiede zwischen den Regionen gibt. In den USA beispielsweise ist die Marktsituation noch ausgesprochen gut und eine starke Nachfrage vorhanden. Zwar werden auch dort Befürchtungen laut, dass die gesamtwirtschaftliche Lage den Bereich Wohnen und Bauen beeinträchtigen könnte, das ist aber bisher nicht wirklich sichtbar. Wir glauben auch, dass es sich nicht so drastisch auswirken wird wie in Zentraleuropa. Für uns laufen die USA nach wie vor hervorragend, wir liegen deutlich über Vorjahr. In Skandinavien gibt es einen Nachfragerückgang, aber die Nachfrage ist bei weitem nicht so rückläufig wie in Zentraleuropa.

Die Märkte in Deutschland, Österreich, Großbritannien, Frankreich und Italien sind am stärksten von der makroökonomischen Situation betroffen. Und leider sehr stark beeinträchtigt ist Parkett. Im oberen Preissegment scheint der Leidensdruck am höchstens. Wobei es andererseits verwundert, dass Laminat als Kategorie auch massiv betroffen ist. Es liegt also wohl nicht nur am Preis.

Dieser negativen Entwicklung bei Parkett kann sich im Moment niemand entziehen. Auch Kährs nicht. Dennoch geht es uns als Gesamtunternehmen vergleichsweise gut, weil wir eine gewisse Risikoverteilung haben und uns zwei Aspekten wesentlich unterscheiden von vielen anderen: Zum einen können wir einiges dadurch kompensieren, dass wir international breit aufgestellt sind. Zum Beispiel in den USA, wo wir seit 30 Jahren vor Ort mit eigener Niederlassung vertreten sind und dadurch eine etablierte Geschäftsbasis haben. Und zum anderen sind wir in Skandinavien Marktführer, ein Markt, der nicht in dem Maße einen Nachfragesturz erlebt wie zum Beispiel Deutschland.

Es wird ja gerade auch immer gern ausgeblendet, dass die Branche zwei sehr gute Jahre erlebt hat und es Vorzugseffekte gab. Natürlich lässt sich das Niveau von 2020 und 2021 mit zweistelligen Zuwächsen nicht längerfristig aufrechterhalten...

R. Bieger: Genau, es gab Vorzugseffekte und wir sprechen sogar von drei guten Jahren. Die aktuelle FEP-Marktstudie, die Endverbraucher in großem repräsentativen Umfang befragt hat, belegt auch ganz deutlich, dass viele Haushalte in Parkett und andere Bodenbeläge deutlich mehr investiert haben als in der Vor-Corona-Zeit. Laut dieser Studie haben 13 % der Befragten, ein Durchschnitt von Haushalten, in den letzten vier Jahren Parkett gekauft. Das sind ja enorm viele im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit.

Sebastian Fleck: Davon hat Kährs noch im letzten Jahr besonders stark profitieren können, weil wir keine Ressourcen aus der Ukraine bezogen haben und deshalb besser liefern konnten als viele andere.

In der zweiten Jahreshälfte 2022 brach die Nachfrage dann schlagartig ein. Sie haben schnell reagiert und die Kapazitäten zurückgefahren. Um wieviel?

R. Bieger: Etwas unterschiedlich von Werk zu Werk, zwischen 10 und 20 %. Wir konnten das weder in Schweden, noch in unseren osteuropäischen Fabriken über Kurzarbeit abfedern, denn diese Subventionsform gab es in diesen Ländern nur während der Pandemie, aber nicht mehr in 2022. Wir hatten schon im Herbst die Marktlage klar analysiert und wussten, dass wir nicht davon ausgehen können, dass es so weiterläuft, wie wir es gewohnt waren. Die Indikatoren waren klar negativ und es war auch klar, dass im ersten Halbjahr der Handel auf Spekulation eingekauft hatte aufgrund der Ukraine-bedingten Engpässe vieler europäischer Wettbewerber. Wir haben also frühzeitig angefangen, Kostendisziplin zu betreiben. Deshalb war unser Ergebnis im letzten Jahr in der zweiten Hälfte sehr gut und auch dieses Jahr ist es ganz passabel. Da wir öffentlich reporten müssen, ist das ja auch für Jedermann sichtbar; wir können und brauchen da nichts zu beschönigen oder irgendetwas zu verheimlichen.

Dirk Indorf: Uns hilft auch, dass wir nicht mehr nur Parketthersteller sind, sondern in verschiedenen Produktsegmenten und verschiedenen Märkten aktiv sind. Dadurch werden wir viel breiter wahrgenommen. Und wenn sich die Nachfrage von Parkett auf andere Bodenbeläge verschiebt, können wir auch da etwas bieten.

Eigentlich ist schwer nachzuvollziehen, warum Parkett so massiv unter dem Nachfrageeinbruch leidet. Der Parkettkunde gehört doch zur kaufkräftigen Konsumentenschicht, der die allgemeinen Teuerungen weniger ausmachen dürfte...

R. Bieger: Das müsste man meinen. Die Realität ist aber, dass Parkett nicht nur ein Produkt ist, dass die Oberschicht bei Edelfachgeschäft kauft, sondern ein erheblicher Teil des Parkettverbrauchs kommt aus der Mittelschicht – gerade in den letzten Jahren, als es mit Parkett mengenmäßig ordentlich aufwärts ging. Die Mittelschicht hat in der Corona-Zeit überdurchschnittlich viel gekauft, wie wir ja aus der FEP-Studie wissen.

Andererseits müssen wir schweren Herzens konstatieren, dass sich die Zeiten sehr schnell geändert haben und in der Mittelschicht aktuell die Priorität bei den Anschaffungen im Bereich der energetischen Sanierung liegen und weniger im Bereich Verschönerung, Prestige, Modernisierung.

Die Studie unterstreicht auch, und das sage ich bitte ganz wertfrei, dass nicht nur überdurchschnittlich viel Parkett eingekauft wurde während der Corona-Zeit, sondern dass 29 % der Käufer dies im DIY-Store getan haben. Also im Baumarkt, oder im besten Fall im Holzfachhandel/Baustofffachhandel, was in der Studie nicht klar verifizierbar ist. Das war laut Studie sogar die Haupteinkaufsquelle. Und 22 % haben ihr Parkett beim sogenannten Specialist Retailer, also Fachgeschäft gekauft. Alles andere sind Einkaufsquellen mit weniger Anteil, also Verlegebetriebe, Objekte, E-Commerce etc. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass Parkett eben auch und nicht zu knapp von der Mittelschicht gekauft wurde.

Meiner Meinung nach haben wir im Parkettbereich momentan zusätzlich auch damit zu kämpfen, dass Endverbraucher in der Corona-Zeit von den öffentlichen Medien permanent beschallt worden sind damit, dass Holz megateuer und nicht mehr bezahlbar sei. Es ist ja auch teurer geworden, aber es hat sich ein extremes, übertriebenes Vorurteil gebildet, dass man sich Holz, sprich Parkett gar nicht mehr leisten kann. Darüber hinaus gibt dann immer noch die altbekannten Vorurteile gegenüber Parkett, gegen die wir weiter und verstärkt ankämpfen müssen. Zum Beispiel, dass es vermeintlich empfindlich sei. Der Branche ist es bisher nicht vollständig gelungen, dafür zu sorgen, dass Parkett als der langlebigste Bodenbelag gilt, weil renovierbar. Es gibt Verbraucherinnen, die für eine Waschmaschine von Miele doppelt so viel Geld investieren als für eine andere Marke, weil sie wissen, dass sie mehr als doppelt so lange hält. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es unter Umweltaspekten sowieso das Beste ist, das Langlebigste und Natürlichste zu kaufen.

Ihre Miele-Käufer sind die Kunden von Manufactum & Co. Ich finde allerdings auch, dass für Parkett viel zu wenig mit Image, Prestige, Status, sich etwas Gutes leisten argumentiert wird.

R. Bieger: Da muss ich wieder auf die FEP-Studie verweisen. Parkett ist definitiv die Bodenbelagsart mit dem höchsten Prestige und dem besten Image, die man am liebsten haben würde. Da gibt es also tatsächlich von der Mehrheit einen starken Wunsch nach Parkett, aber die Kaufrealität sieht anders aus. Weil sich wohl die wirklich vielen, die es sich wünschen, am Ende nicht durchringen können, zu kaufen. Wohl wegen der kurzsichtigen Abwägung des hohen Preises und möglicherweise auch wegen des Vorurteils der Empfindlichkeit.

Deutschland hat im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern eine vergleichsweisee niedrigere Parkett-Kaufquote per capita, also statistisch auf den Endverbraucher heruntergerechnet. Das wiederum ist wohl eine kulturelle Thematik, sichtbar daran, dass man sich in Deutschland Höherpreisiges immer noch gerne beim Autokauf gönnt, aber weniger beim Wohnen und Einrichten. Höchstwahrscheinlich wird sich das aber zugunsten von Parkett mit der Generationenfolge verändern. Die Branche hat jedenfalls eine bereits bekannte Herausforderung hinsichtlich Vermarktung und Kommunikation. Parkett genießt eine hohe Begehrlichkeit, aus der man mehr machen kann. Da gibt es Chancen und Handlungsmöglichkeiten für die Branche.

Wenn Parkett zu teuer ist, können die Endverbraucher auf Furnierböden ausweichen. Die feiern aktuell ein Comeback. Überhaupt gewinnen alternative Bodenkonstruktionen mit Echtholz-Deckschicht an Bedeutung.

R. Bieger: Vielleicht werden diese Produkte in Zukunft eine größere Rolle spielen als bisher. Es scheint eine Produktkategorie, die ihren Platz im Markt finden kann. Wobei man berücksichtigen sollte, dass sie im letzten Jahr davon profitiert hat, dass echte, klassische Landhausdielen sehr gefragt, aber nicht ausreichend lieferbar und extrem teuer geworden waren. Da hatten derartige Alternativen wie Furnierböden, vor allem im Großformat, ideale Voraussetzungen, um diese Lücke zu füllen. Jetzt, da echte Landhausdielen wieder lieferbar sind, wird sich zeigen, ob sich Furnierböden wirklich entscheidend einen Platz am Markt sichern können. Das Ergebnis ist bisher nur ein vorläufiges, wir werden sehen.

Joschua Bieger: Ressourcenschonung ist hier für jüngere, urbane und vor allem ökologisch orientierte Endverbraucher ein Thema. Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit. Wir merken, dass das Bewusstsein dafür wächst, wieviel Material verwendet wird. Es gibt immer mehr Kunden, für die das eine Rolle spielt.

Indorf: Der Markt ist in Bewegung, es verändert sich gerade sehr viel. Der Kunde verändert sich auch. Jeder zweite fragt: „Was ist das? Wo kommt das her?“ Gerade junge Käufer fragen danach. Das scheint mir eine Generationenfrage.

Das Gespräch führte Claudia Weidt

Lesen Sie das ganze Interview in der aktuellen Ausgabe von Parkett Magazin.




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Gründung: 1978
Umsatz 2022: 38,2*
Mitarbeiter 2022: 26
Geschäftsführung: Robert Bieger
Verkaufsleitung Handel: Dirk Indorf
Verkaufsleitung Objekt: Joschua Bieger
Marketing Handel: Sebastian Fleck
Marketing Objekt und Presse: Franziska Hermann
*Quelle: Geschäftsbericht 2022 Kährs Group


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Schlüsselmärkte: Schweden, USA, Deutschland, Finnland, Norwegen
Marktsegmente:
> Residential (Handel), einschließlich Wohnungsbau
> Commercial (Objekt): Gesundheits- und Bildungswesen, Ladenbau, Büros und Verwaltung, Hotellerie und Gastronomie
*Quelle: Geschäftsbericht 2022 Kährs Group
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