31.08.2022

Holzhandelstag: Vom Darknet bis zum Kaufrecht

GD Holz-Vorstandsmitglied Maximilian Habisreutinger beleuchtete in Vertretung von Hartmut Gross, dem Vorsitzenden des Fachbereichs Holzgroßhandel, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und identifizierte dabei eine ganze Reihe an Herausforderungen: die Inflation, die steigenden Energiekosten, die leicht rückläufige Entwicklung im Baugewerbe und als eins der größten Probleme fehlende Arbeitskräfte vor allem in Verkehr und Logistik (66.000 offene Stellen), Verkauf (62.000) und beim Führen von Fahrzeugen und im Transportwesen (43.000). „Der Großhandel befindet sich noch in einer positiven Lage“, konstatierte Habisreutinger, „rechnet aber mit bestimmten Komplikationen.“ Als Beispiele nannte er den Materialmangel am Bau, der weitere Verteuerungen nach erwarten lasse und den Fachkräftemangel. Er ist überzeugt, dass das laufende Jahr 2022 noch zufriedenstellend verläuft, „die Zukunftsaussichten sehe ich kritischer.“

Cyber-Attacken im Holzhandel - ein Erfahrungsbericht

Vom Darknet haben wir alle schon mal gehört. Und von Cyber-Kriminalität gelesen. Dass und wie diese inzwischen auch in unserer Branche Fuß fasst, erlebte das Publikum mit, als Fries-Geschäftsführer Dr. Mario Hölscher sehr anschaulich und offen eine Cyber-Attacke schilderte, die der norddeutsche Holz- und Bodenbelagsgroßhändler im Oktober 2021 erlitt.

Hölscher hatte an einem Samstag in seinem Herbsturlaub einen Anruf seines IT-Dienstleisters erhalten, der bei einer Routinekontrolle unerklärliche Server-Aktivitäten entdeckt hatte. Sofort wurden die Systeme heruntergefahren, mit dem Risiko, Daten zu beschädigen oder zu verlieren. Die Versicherung - Fries hatte ein halbes Jahr zuvor eine Serverversicherung abgeschlossen - schickte innerhalb von drei Stunden zwei Cyber-Forensiker, die das Kommando übernahmen. Die identifizierten das Leck in der Firewall und den eingeschleusten Verschlüsselungsvirus, dessen Ziel es war, die gesamte IT von Fries zu blockieren um so einen hohen Bitcoin-Betrag zu erpressen. Den Cyber-Forensikern gelang es, den Trojaner zu isolieren und „einzusperren“. Sonntag abend erhielt Hölscher Entwarnung: Die Server konnten wieder hochgefahren werden, die Daten waren gerettet. Und die Versicherung zahlte. Dennoch kostete Fries der Cyber-Angriff nicht nur Nerven, sondern auch Geld: die ganze Hardware wurde ausgetauscht und eine neue Firewall installiert. Nach dieser Erfahrung hält Hölscher eine Serverversicherung für absolut sinnvoll. „Ein wesentlicher Vorteil sind die Cyber-Forensiker“. Außerdem empfahl er seinen Kollegen eine Risiko-Notfallplanung, in der unter anderem dokumentiert sein sollte „wer was entscheidet und mit wem kommuniziert“.

Weitere Präventiv- und Schutzmaßnahmen erläuterte Fabian Mittermair, Managing Director Österreich der SEC Consult Group“,
Die SEC Consult Group berät Regierungsbehörden, internationale Organisationen und die freie Wirtschaft in puncto Cyber- und Applikationssicherheit.

Wie schützt man sich vor IT-Angriffen?

Kein großes Geheimnis ist, dass das Risiko von IT-Überfallen durch die zunehmende Digitalisierung stetig größer wird. Die Internetkriminalität sei ein boomendes, hochprofessionelles Business, sagte Mittermair. In der Regel werden Handys, Laptops, Rechner mit Bots, das sind Programme, infiziert, die sich zum Botnet zusammenschalten, mit denen verschiedene kriminelle Geschäftsmodelle abgewickelt werden können: das reicht von der Nutzung der Rechnerleistung über Spam und Phishing bis hin zum Identitätsdiebstahl, Speichermedium für illegale Inhalte und Erpressung durch Datendiebstahl. Kleine Arabeske: Mittermair nahm das Publikum auch mit auf einen Ausflug in das Darknet; das ist wie Amazon für Drogen, Waffen, Hacker, Reisepässe und Kreditkarten.

Erpressungen kommen nach Aussagen des Experten relativ häufig vor. Und relativ viele Betroffene würden zahlen. Die Daten erhielte man in neun von zehn Fällen zurück – aber die Malware, sprich die Viren blieben erhalten. Da helfe nur, das gesamte System sofort zu säubern, um nicht wieder zum Erpressungsopfer zu werden.

Als wichtige präventive Maßnahmen für KMU riet Mittermair den Einsatz von veralteter Software zu vermeiden, aktuelle IT Sicherheitssoftware und Backup-Lösungen zu nutzen (z.B.Firewall, Antivirus), die Bereitstellung von Ressourcen für den Notfall, z.B. über eine Versicherung. Auch persönlich solle man sich schützen, unter anderem durch Vorsicht bei anonymen Zahlungsmethoden wie Western Union oder Bitcoin, wenn möglich, für jede Anwendung ein anderes Passwort einsetzen, das geheim, möglichst lang und komplex sein sollte (Groß- und Kleinschreibung, Ziffern, Sonderzeichen. Man muss sich nicht alle merken, sondern kann einen „Passwort-Safe“ verwenden. Außerdem sollte man möglichst biometrische Authentifizierung und 2-Faktor-Authentifizierung nutzen. Ob, wie oft und wann man gehackt worden ist, kann man übrigens auf der Website www.haveibeenpwned.com prüfen.

Neue Regelungen im Kaufrecht: Viele Änderungen zu Verbrauchergunsten

Das deutsche Kaufrecht ist zum 1. Januar 2022 reformiert worden. Es gibt zahlreiche neue Regelungen, insbesondere für B2C, aber auch Auswirkungen im B2B-Geschäft. Rechtsanwalt Hans Christian Widegreen, Fachanwalt für IT-Recht, gab einen Überblick.

Vor allem B2C wurde einiges zu Verbrauchergunsten geändert; so sind unter anderem die Voraussetzungen für Rücktritt und Minderung gesenkt worden. Nach § 475d BGB ist eine aktive Fristsetzung des Verbrauchers nicht mehr erforderlich, er kann bereits zurücktreten oder den Kaufpreis mindern, wenn er den Verkäufer vom Mangel unterrichtet und dieser nicht in einer angemessenen Frist nacherfüllt hat. Ist der Mangel schwerwiegend, kann sofort zurückgetreten werden - ohne Fristsetzung.

Gewährleistung verlängert, Mangelbegriff erweitert

Die Gewährleistung wurde um zwei Monate verlängert (§ 475e Abs.4 BGB). Bei einem Mangel, der sich erst am letzten Tag der zweijährigen Gewährleistungfrist zeigt, läuft diese noch weitere zwei Monate, wenn die nachgebesserte oder ersetzte Ware zurückkehrt. Das heißt: es ist mit einer faktischen Gewährleistungszeit von 26 Monaten zu rechnen. Außerdem wurde die Beweislastumkehr von sechs Monaten auf ein Jahr ausgedehnt (§ 477 BGB n.F.). Für den Verkäufer bleibt der Nachweis des unsachgemäßen Verbrauchs oder von Verschleiß beschwerlich.

Deutlich erweitert wurde der Mangelbegriff. Nach altem Recht lag kein Sachmangel vor, wenn eine von drei Anforderungen erfüllt wurde:
- subjektive Anforderungen wie vereinbarte Beschaffenheit, Qualität, Funktion,
- objektive Anforderungen, das bedeutet die Eignung für die Verwendung aus dem Vertrag oder
- Montageanforderungen.

Seit dem 1. Januar 2022 müssen alle drei Anforderungen für eine Mangelfreiheit erfüllt sein. Das heißt: Auch wenn eine Sache der vereinbarten Beschaffenheit entspricht, kann sie trotzdem mangelhaft sein, wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder nicht montiert werden kann. Das gilt sowohl B2C als auch im B2B. Das Problem sind hier laut Widegreen die Definition der objektiven Anforderungen: „Es kann nicht der jeweils höchste Standard auf dem Markt gefordert werden“, betonte der Jurist. „Nur wenn es an einer elementaren Funktion fehlt, kann man annehmen, dass die Sache nicht zum gewöhnlichen Gebrauch geeignet ist, beispielsweise die Möglichkeit der Lautstärkeregulierung beim Radio.“

Damit sich der Verkäufer hier schützen kann, verwies er auf die Vereinbarung einer „negativen Beschaffenheit“: „Nehmen Sie explizit auf, was die Ware nicht kann, ein Kunde aber typischerweise erwartet.“ Als Beispiel nannte er eine Riffelbohle in Lärche, die sich nicht für den Außeneinsatz eignet. „Es braucht neben einer „Positivliste“ mit Angaben wie Stärke, Gewicht, Länge, Nut/Feder, bombiert“ auch eine „Negativliste“ mit Einschränkungen wie „nicht für den Außenbereich, nicht witterungsbeständig“. Gegenüber Verbrauchern riet er, vor dem Vertragsschluss darauf hinzuweisen und es mit dem Kunden zu vereinbaren. B2B sei ein AGB-Zusatz geboten: „Die Kaufsache eignet sich nicht zur gewöhnlichen Verwendung. Die übliche Beschaffenheit gewährleisten wir nicht.“

Nacherfüllung und Garantien verschärft

Die Nacherfüllung wurde weiter konkretisiert (§§439, 475 BGB n.F.). So muss die Nachbesserung „ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher“ erfolgen, die Kosten der Rückgabe trägt der Verkäufer und Verbraucher können auch Mängelrechte geltend machen, obwohl sie den Mangel bei Vertragsschluss kannten. Außerdem wurden die Parameter für Garantieerklärungen verschärft; u.a. gelten mindenstens die Gewährleistungsrechte. Und schließlich ist bei Verträgen über kostenpflichtige Leistungen mit Verbrauchern im Online-Geschäftsverkehr ein Kündigungsbutton zwingend erforderlich.

Die Inflation bleibt hoch

Mit Spannung erwartet wurde der Gastvortrag des Volkswirts Prof. Dr. Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut zu den ökonomischen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. Nach dem Abflauen der Coronawelle habe sich die Konsumkonjunktur zunächst belebt, zu erkennen unter anderem an zunehmender Mobilität der Menschen – und mehr Tischreservierungen im Gastgewerbe.

Aber: bei der Baukonjunktur, die sich seit Mitte der 2000er Jahre im Aufschwung befand und auch stabil durch die Coronakrise steuerte, zeichne sich eine Trendwende ab, bedingt durch produktionsbehindernde Faktoren wie Materialengpässe, vor allem bei Stahl, Holz, Dämmstoffen und Kunststoffen, und damit einhergehend massiv steigenden Materialkosten. Und diese verschärften sich durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Das schürt Unsicherheit, infolge derer Aufträge abgelehnt würden. Auch die Industriekonjunktur befindet sich nach dem Hoch 2018 im Abwärtstrend, geprägt durch die Automobilindustrie, die Stimmung hat sich eingetrübt.

Im verarbeitenden Gewerbe beobachtet Wollmershäuser eine Auftragsreichweite von 4,5 Monaten und einen Auftragsstau in einem Volumen um 100 Mrd. EUR, der nicht abgearbeitet werden könne, weil Vorprodukte fehlen. Ergo würden keine neuen Aufträge angenommen. Der Volkswirt erwartet weitere Preissteigerungen, die auf die Nachfrage drücken würden. Dabei sei eigentlich Geld vorhanden: die einkommensstarken Haushalte hätten eine Überschussersparnis aus der Coronakrise von 200 Mrd. EUR. Doch dämpfe die Inflation die Kaufkraft: „Wenn die Preise anziehen, konsumieren deutsche Haushalte weniger und sparen mehr.“ „Vorsichtssparen“ nennt Wollmershäuser das.

Seine Prognose: Die Inflation bleibe zunächst noch hoch, frühestens 2023 sei mit einer Entspannung zu rechnen, das hänge allerdings von der weiteren Entwicklung der Energiepreise ab. Die fünf führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute (DIW, Ifo, IfW, IWH und RWI) prognostizieren für 2022 (Stand April 2022) eine Steigerung des BIP um 2,7 %, für 2023 um 3,1 % und um 6,1 % (2022) bzw. 2,8 % (2023) höhere Verbraucherpreise. Sie haben auch ein Alternativszenario mit einem Stopp der russischen Energierohstofflieferungen kalkuliert: Danach würde das BIP 2022 immer noch um 1,9 % zunehmen, sich 2023 allerdings um -2,2 % verringern.

Claudia Weidt
Holzhandelstag: Vom Darknet bis zum Kaufrecht
Foto/Grafik: SN Verlag
Maximilian Habisreutinger: „Dieses Jahr wird noch zufriedenstellend, die Zukunftsaussichten sehe ich kritischer.“
Holzhandelstag: Vom Darknet bis zum Kaufrecht
Foto/Grafik: SN Verlag
Thomas Goebel führte gewohnt souverän durch den Holzhandelstag und kündigt hier den Konjunktur-Experten Prof. Dr. Timo Wollmershäuser an.
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