28.10.2025
Domotex: „Wir bieten der Parkettbranche wieder eine gemeinsame, internationale Bühne“
Nach der Corona-Pandemie blühten die klassischen Messen kurz auf, inzwischen werden sie ob des Kosten-Nutzen-Verhältnisses zunehmend kritisch hinterfragt. Die Domotex hat das registriert und geht auf die sich verändernden Bedürfnisse ein. Gleichzeitig wirbt sie unermüdlich um die Parkettbranche, die sich 2026 zum ersten Mal seit Jahren wieder substanziell in Hannover präsentiert. Parkett Magazin sprach mit Arno Reich, Geschäftsfbereichsleiter Deutsche Messe und Sonia Wedell-Castellano, Global Director Domotex, über die „neue“ Domotex, warum es sich lohnt, dort präsent zu sein und ob die klassische Hallenmesse eine Zukunft hat.
Parkett Magazin: Stoßen wir gleich in die offene Wunde: Gerade das Parkettsegment ist der Domotex in den letzten Jahren verloren gegangen. Schon vor Corona machten sich deutliche Absentierungserscheinungen bemerkbar. Erst wanderten etliche Aussteller zur BAU nach München ab, aber auch dort sind inzwischen die Lücken groß geworden.
Sie haben persönlich sehr dafür gekämpft, Parkett nach Hannover zurückzuholen – und nun trägt Ihr Engagement Früchte, namhafte Unternehmen kehren 2026 zurück. Wie ist Ihnen das gelungen? Was bieten Sie der Parkettbranche?
Sonia Wedell-Castellano: Ich habe in den vergangenen Jahren sehr intensiv den Dialog mit der Parkettbranche gesucht – mit großem Respekt für die Kritik, die in der Vergangenheit geäußert wurde.
Mir war wichtig, zuzuhören und zu verstehen, warum sie gegangen sind. Erst wenn man die Gründe kennt, kann man Vertrauen zurückgewinnen. Mit dem neuen Konzept „Boden, Wand, Decke“ haben wir jetzt genau das geschaffen, was die Branche gefordert hat: eine Plattform, die den Raum ganzheitlich denkt – vom Boden über die Wand bis zur Decke.
Parkett steht damit nicht isoliert im Wettbewerb, sondern wird Teil eines größeren gestalterischen Zusammenhangs. Diese Verbindung zu angrenzenden Produktwelten – Akustik, Wandpaneele, Farbe, Tapete – schafft neue Synergien und Zielgruppen für die Hersteller.
Ein weiterer entscheidender Punkt war: Parkett ist ein großartiges, emotionales Produkt – natürlich, nachhaltig, ästhetisch. Aber im Wettbewerbsumfeld wird es von den umsatzstarken LVT-Belägen und Vinylprodukten oft überlagert. Diese Segmente verfügen über enormes Marketingbudget, während die Parkettbranche in Europa nicht unbedingt geschlossen auftritt und dadurch an Sichtbarkeit verloren hat.
Mit der Domotex konnten wir genau an dieser Stelle ansetzen: Wir bieten der Branche in Kombination mit der Domotex gesponserten FEP Lounge wieder eine gemeinsame, internationale Bühne in Halle 21 für Holz als nachhaltiges und wertiges Gestaltungsmaterial. Ich glaube, das war der entscheidende Punkt und hat viele überzeugt: Wir holen Parkett zurück in den Kontext, in dem es seine Stärke voll entfalten kann – und machen die Domotex wieder zu der internationalen Bühne - ein Ort, an dem Parkett als wertiges, charakterstarkes Produkt sichtbar und erlebbar wird. Und zu guter letzt haben wir auch dem Wunsch der Branche Rechnung getragen, die Veranstaltung dem Innovationszyklus anzupassen und sind in einen 2-Jahres-Turnus gewechselt.
Warum ist die Domotex das richtige Format für Parkettanbieter?
Wedell-Castellano: Weil sie die internationale Leitmesse für Boden, Wand und Decke ist – und Parkett hier seine volle Wirkung entfalten kann. Kein anderes Format verbindet das traditionelle Handwerk mit Design, Architektur und internationalem Business so gezielt wie die Domotex.
Parkettanbieter profitieren von der starken Internationalität, der hohen Besucherqualität und der neuen thematischen Breite. Sie begegnen hier nicht nur Händlern und Handwerkern, sondern auch Innenarchitekten, Objektausstattern und Planern, die Parkett als Teil ihrer Raumkonzepte einsetzen.
Sie sind nicht die einzige Messe, die um Parkett wirbt - auch die BAU, die Interzum und sogar die Heimtextil sind Ihre Mitbewerber. Was ist Ihr USP, bzw. Ihre schlagkräftigsten Argumente?
Wedell-Castellano: Unser Alleinstellungsmerkmal ist die ganzheitliche Betrachtung des Innenraums. Während andere Formate einzelne Gewerke oder Materialien abbilden, zeigt Domotex den Raum vom Boden über die Wand bis zur Decke – und stellt die Verbindung zwischen Material, Design und Funktion her. Damit schaffen wir neue Schnittstellen zwischen Parkett, Akustik, Wandverkleidung und Decke.
Und damit wird die Domotex für Handwerker, Handel und Interior Designer zur Plattform für den Innenraum. Hier treffen Parkettanbieter nicht nur auf ihre klassischen Kunden, sondern auf neue Entscheidergruppen – etwa aus Interior Design oder Objektplanung.Diese inhaltliche Tiefe und der internationale Fokus machen uns einzigartig.
Nach einer kurzen Blüte nach der Corona-Pandemie stehen die klassischen Messen stark auf dem Prüfstand. Zu teuer, zu aufwendig, zu viel digitale Konkurrenz, kein adäquates Kosten-Nutzen-Verhältnis sind die stärksten Kritikpunkte. Was entgegnen Sie darauf?
Arno Reich: Ich verstehe diese Haltung, aber sie basiert oft auf alten Messebildern. Wir haben auch die Domotex neu gedacht: modular, effizient und mit einem klaren Fokus auf Sichtbarkeit und Nutzen. Dazu bieten wir flexible Standlösungen, Gemeinschaftsflächen und Themenzonen, die hochwertige Präsenz auch mit überschaubarem Aufwand ermöglichen.
Der Mehrwert liegt heute nicht mehr im größten Stand, sondern im richtigen Netzwerk und in der Sichtbarkeit. Gerade im Parkettsegment, wo es um Haptik, Qualität und persönliche Begegnung geht, ist das Live-Erlebnis durch nichts zu ersetzen. Und genau das bieten Messen wie die Domotex: wir schaffen Beziehungen, authentische Begegnungen, hochwertige Kontakte und eine mediale Reichweite, die digital verlängert wird.
Als Messegesellschaft stecken Sie in einem Dilemma. Sie sind ein Wirtschaftsunternehmen, das mit der Vermietung seiner Ausstellungsflächen und begleitenden Service seinen Umsatz macht. Die Zeit der riesigen, millionenteuren Stände ist aber definitiv vorbei. Kein Bodenbelagsanbieter gibt mehr mehrere Hunderttausend EUR für einen Stand aus – plus aller Nebenkosten. Im Prinzip müssen sich die Messen neu erfinden, kreativ werden, neue Ausstellungsmöglichkeiten entwickeln, oder?
Reich: Ich denke, Messen entwickeln sich bereits stark weiter und müssen das auch; aber sie müssen sich nicht komplett neu erfinden. Auch die Domotex bleibt eine klassische Hallenmesse – und das ist auch gut so. Denn das physische Messeerlebnis, das Zusammentreffen von Menschen, das Erleben von Materialien, das direkte Gespräch – all das ist durch nichts zu ersetzen, auch und gerade nicht durch rein digitale Angebote. Die Zeit während der Pandemie hat allen Markteilnehmern nachhaltig bewiesen, dass ein rein digitaler Lead nicht mit einem physischen vergleichbar ist.
Was wir allerdings tun, ist, unsere Angebote gezielt zu modernisieren, um den veränderten Erwartungen der Aussteller gerecht zu werden. Dazu gehören wie bereits erwähnt flexible Standkonzepte, gemeinschaftliche Präsentationsflächen und Themenzonen, in denen Produkte im passenden Umfeld präsentiert werden können. Wir bieten heute Formate, die wirtschaftlicher, kompakter und zugleich hochwertiger sind. Und darüber hinaus entwickeln wir die begleitenden digitalen Formate ständig weiter, um das physische Erlebnis bestmöglich zu optimieren und zu erweitern – nicht aber zu ersetzen, denn das kann es nicht.
Natürlich müssen auch wir als Messegesellschaft wirtschaftlich handeln. In Zeiten zunehmender Konsolidierung in den verschiedenen Industriezweigen verändern sich auch unsere eigenen Rahmenbedingungen. Aber wir verstehen das als nachhaltige Investition in die Zukunft: Unser Geschäftsmodell entwickelt sich weiter, hin zu mehr Erlebnis, Netzwerk und Content, anstatt reiner Flächenvermarktung. Damit reagieren wir auf die Realität vieler Unternehmen: Sie wollen präsent sein, aber effizient investieren.
Auch und gerade die Domotex schafft dafür den passenden Rahmen – eine starke internationale Bühne, die wirtschaftlich tragfähig und zukunftsorientiert zugleich ist.
Wir hören immer wieder, die Zeit der klassischen Fachmesse sei vorbei. Ist das wirklich so? Oder hat sie noch ein Perspektive
Wedell-Castellano: Ganz klar: ja. Das Bedürfnis, Produkte live zu sehen, zu berühren und zu vergleichen, ist in unserer Branche unverändert groß. Gerade Holz und Parkett leben von ihrer Haptik, von ihrer Ausstrahlung, von der Atmosphäre, die sie im Raum erzeugen – das lässt sich digital nicht ersetzen.
Natürlich sehen wir, dass viele Unternehmen inzwischen auf eigene Showroom- oder Hausmessen setzen, um Kosten zu sparen. Das ist nachvollziehbar, führt aber dazu, dass Besucherinnen und Besucher nur noch einzelne Marken sehen – der internationale Marktüberblick geht verloren.
Die Domotex bietet dagegen ein konzentriertes, neutrales Umfeld, in dem man in kurzer Zeit einen kompletten Überblick über Trends, Innovationen und Wettbewerber erhält. Wir müssen Messen ja insbesondere von den Besucherinteressen her denken.
Mit unserem neuen Konzept, Räume ganzheitlich zu denken – von Boden, Wand und Decke, schaffen wir zusätzlich neue Mehrwerte. Wir heben uns bewusst von anderen Messeplätzen ab, die meist stärker material- oder gewerkeorientiert sind. Domotex bietet also beides: das klassische Messeerlebnis mit direkter Begegnung – und eine moderne, inhaltlich weitergedachte Plattform, die Verbindungen schafft, Orientierung bietet und Inspiration liefert. So hat die Domotex auch in Zukunft ganz sicher eine starke Perspektive.
Erschwerend hinzu kommt, dass der europäische Markt derzeit darnieder liegt. Aber anderswo – im Nahen Osten, in Asien – erschließen sich neue Märkte. Erwarten Sie auch Besucher aus diesen Regionen und können Ihren Ausstellern damit interessante neue Kontakte signalisieren?
Wedell-Castellano: Ja, definitiv. Domotex war schon immer international, aber das Interesse aus neuen Regionen wächst spürbar. Wir erwarten 2026 vermehrt Besucherinnen und Besucher aus dem Nahen Osten, Asien und Afrika, wo gerade viele neue Projekte im Bau- und Innenausbaubereich entstehen. Entsprechend investieren wir in diesen Regionen in Netzwerke und Werbemaßnahmen.
Für unsere Aussteller bedeutet das Zugang zu neuen Märkten und Entscheidungsträgern, die sie über andere Kanäle kaum erreichen können. Gerade für die Parkettbranche, die in Europa derzeit unter Druck steht, ist das eine wertvolle Chance zur internationalen Positionierung: Sie treffen auf neue Märkte und Entscheidungsträger, die sie ohne Hannover kaum erreichen würden.
Was tun Sie, um Besucher nach Hannover zu ziehen? Auch denen sind Messen zu teuer. Es gibt inzwischen kleinere Veranstaltungen, die zum Beispiel gratis Parken, Zutritt und Verpflegung gewähren…
Reich: Wir investieren gezielt in zielgruppenspezifisches Besuchermarketing – national wie international. Dazu gehören Kooperationen mit Verbänden und Organisationen, persönliche Einladungskampagnen, Fachmedienarbeit und Social-Media-Aktivitäten. Zudem schaffen wir auf dem Gelände ein vielseitiges Programm mit Themenführungen, Vortragsforen, Live-Demonstrationen und Networking-Flächen. Dadurch generieren wir für den Besucher ein Gesamterlebnis, das ihm einen echten Mehrwert bietet.
Natürlich wissen wir, dass kleinere, regionale Veranstaltungen mitunter kostenfreie Full-Service-Pakete anbieten. Das ist auf solchen, meist lokal und von wenigen Herstellern organisierten Veranstaltungen wie Hausmessen auch realisierbar. Bei einer Veranstaltung mit internationalem Anspruch auf einem professionellemnMessegelände mit umfangreicher Infrastruktur sind die Rahmenbedingungen schlicht andere – und damit auch die Kostenstrukturen.
Dafür bieten wir aber etwas, das keine regionale Veranstaltung leisten kann: internationale Reichweite, hohe Besucherqualität und die geballte Branchenvielfalt an einem Ort, nicht nur einzelne Hersteller. Die Domotex ist eine globale Leitmesse – ein Treffpunkt, an dem sich der gesamte Markt trifft, vergleicht und vernetzt. Diese Plattformstärke ist durch kein lokales Format ersetzbar.
Wie machen Sie generell auf die Domotex aufmerksam, welche Marketingmaßnahmen gibt es, welche Kanäle bedienen Sie?
Wedell-Castellano: Wir arbeiten über alle relevanten Kanäle – von Fachmedien über LinkedIn bis hin zu Partnerkampagnen mit internationalen Netzwerken und setzen dabei auf einen breiten, integrierten Marketingmix: klassische Pressearbeit, Social Media, Newsletter, persönliche Verbandsbesuche und Kooperationen mit wichtigen Partnern.
Neu und besonders stark sind unsere strategischen Partnerschaften, etwa mit Edra, Mega, Decor Union, Mittelstandszentrum Digital und Heinze. Sie alle helfen uns, die Reichweite der Domotex deutlich zu erhöhen und gezielt neue Zielgruppen zu erreichen – vom Fachhandel über das Handwerk bis zu Planern und Architekten.
Noch ist die Ausstellerliste nicht veröffentlicht. Lüften Sie schon mal den Schleier?
Wedell-Castellano: Doch, die Ausstellerliste wurde Anfang Oktober veröffentlicht. Es haben sich viele namhafte Unternehmen aus dem Parkettbereich zurückgemeldet – und wir gewinnen parallel neue Aussteller aus den Bereichen Wand, Decke, Akustik und Oberflächendesign hinzu. Kronospan, Swiss Krono, Unilin, Classen, ter Hürne, Weitzer Parkett, Mafi, Republic, Gerflor, Saint-Gobain, Lanxess – sowie führende Anbieter aus dem Farb- und Wandbereich wie Keimfarben, Erfurt & Sohn, Meffert Farbwerke, PPG Coatings, Jonas Farben, Leco, Gardinia und Peter Hüssen.
Das zeigt: Unser Ansatz, die Domotex als Plattform für den gesamten Innenraum zu denken, wird von der Branche sehr gut angenommen.
Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie?
Reich: Wir geben im Vorfeld bewusst keine Besucherprognosen ab – solche Zahlen sind immer spekulativ. Entscheidend ist für uns die Qualität der Kontakte, die auf der Domotex entstehen. Mit dem neuen Konzept schaffen wir eine neu ausgerichtete Domotex, die inhaltlich, strukturell und atmosphärisch neue Maßstäbe setzt.
Natürlich haben wir intern Zielgrößen definiert, aber entscheidend ist: Wir messen unseren Erfolg nicht an absoluten Zahlen, sondern daran, ob die richtigen Menschen zusammenkommen – Entscheider mit konkretem Interesse und Investitionsabsicht.
Wenn unsere Aussteller und Besucher am Ende sagen: „Wir haben die passenden Geschäftspartner getroffen, wir haben gute Gespräche geführt, wir haben unser Netzwerk erweitert“ – dann haben wir unser Ziel erreicht.
Und zum Schluss: Was wünschen Sie sich persönlich von und für die Domotex?
Wedell-Castellano: Ich wünsche mir, dass die Domotex 2026 einen soliden Erfolg erzielt, auf dem wir für 2028 weiter aufbauen können. Ein Ort, an dem wieder Zuversicht und Aufbruchsstimmung entstehen – in Zeiten, die für viele Unternehmen schwierig sind. Wenn es uns gelingt, der Branche im Januar das Gefühl zu geben: „Hier geht es wieder voran“, dann wäre das für mich der schönste Erfolg.
Die Fragen stellte Claudia Weidt Mitte Oktober
Sonia Wedell-Castellano, absolvierte nach der Ausbildung zur Industriekauffrau Stationen im Export-Vertriebsinnendienst und als Marketingmanagerin in verschiedenen Branchen. 2011 kam sie als Projektmanagerin Hannover Messe zur Deutschen Messe und stieg bis zum Global Director des Formats auf. 2017 wurde sie zum Global Director Domotex berufen und ist damit seitdem für alle Domotex-Veranstaltungen weltweit verantwortlich. Sonia Wedell-Castellano ist verheiratet, hat einen Sohn und liebt Hunde.
Arno Reich, Diplom-Kaufmann, ist bereits seit über 25 Jahren für die Deutsche Messe aktiv. Er startete 1999 als Projektmanager für die Hannover Messe und wurde mit immer mehr Verantwortung betraut: Abteilungsleitung, Bereichsleitung zuerst für die Hannover Messe, später für alle Industrie-, Energie- und Logistikmessen, seit 2021 wirkt der Familienvater als Geschäftsbereichsleiter Trade Fair & Productmanagement und verantwortet damit alle Eigenveranstaltungen.