29.02.2024

Ludger Schindler: „Das Jahr nutzen, um sich auf die Zukunft auszurichten“

Nach dem ersten Messetag der Domotex 2024 war festzustellen, dass die Stimmung bei Ausstellern als auch Besuchern durchweg positiv war.
Die aktuellen Rahmenbedingungen wie hohe Energiepreisen, Inflation und Haushaltskrise geben jedoch Unternehmen wie auch Bürgern weiterhin Anlass, mit Sorge und Skepsis auf das laufende Jahr zu blicken. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die mit Corona-Geldern gespeisten Nebenhaushalte für verfassungswidrig zu erklären, ist die Verunsicherung in der Bevölkerung und der Wirtschaft gewachsen. Die deutsche Regierung ist unter Druck geraten und die Diskussion um eine Reform der Schuldenbremse wird sich fortsetzen. Damit zusammen hängt aber auch die Debatte um soziale Gerechtigkeit: Wird man die Handlungsfähigkeit des Staates über weitere Steuer-/Gesetzesanpassungen finanzieren müssen? Die Erhöhung der Frachtkosten durch höhere Spritpreise, höhere Mautgebühren, die Mehrwertsteueranpassungen – dies sind nur einige von vielen Themen, die Konfliktpotential für die Bevölkerung und Wirtschaft bedeuten.

Unternehmen sorgen sich um ihre Wettbewerbsfähigkeit, Verbraucher fürchten hohe Energiepreise und anhaltende Preissteigerungen. Nach einem Minus in 2023 gehen die Wirtschaftsweisen 2024 zwar wieder von einem geringen Wirtschaftswachstum (+0,7 %) aus, damit dürfte der Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Vergleich allerdings auch weiterhin schlechter abschneiden als andere Industriestaaten.
Anzuführen sind auch weitere Aspekte wie der Fachkräftemangel, fehlendes Kapital, ausbleibende Innovationen, Diskussionen um das Thema Migration.

Immerhin besteht die Hoffnung, dass einiges besser wird. Der Arbeitsmarkt zumindest macht Hoffnung, denn der hat sich als robust erwiesen. Und wie zuvor erwähnt wird ein Wachstum der deutschen Wirtschaft auf niedrigem Niveau erwartet. Ökonomen sehen Chancen einer Trendwende. Trotz Energiepreisbremse und höherer Mehrwertsteuer in der Gastronomie geht man davon aus, dass sich die Teuerungsrate auf niedrigem Niveau einpendeln wird. Des Weiteren rechnen Experten zudem mit sinkenden Zinsen. Dieses könnte sich langfristig positiv auf die Finanzierungspläne in der Bau- und Wohnungswirtschaft auswirken.

Am deutschen Immobilienmarkt mehren sich die Warnsignal

Aktuell jedoch mehren sich am deutschen Immobilienmarkt die Warnsignale: Kosten steigen, Projekte werden gestoppt, Firmen gehen pleite. Auch wenn die Immobilienpreise mitunter teilweise sinken, sehe ich das deshalb nicht als Anzeichen einer Erholung. Die Stimmung in der Wohnungs- und Immobilienbranche ist nach wie vor denkbar schlecht. Es gibt viel zu wenig neuen und bezahlbaren Wohnraum mit der Folge steigender Wohnungsnot.

Die stark gestiegenen Finanzierungs- und Baukosten haben den Neubau in Deutschland deutlich ausgebremst. Allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 2023 sank die Zahl der Genehmigungen im Wohnungsbau um 27,8 %. Für den Rückgang der Bautätigkeit gibt es zwei wesentliche Gründe: Einerseits sind seit Mitte 2022 die Leitzinsen von der Europäischen Zentralbank (EZB) deutlich angehoben worden. Dadurch liegen die Bauzinsen derzeit bei 4 bis 5 %. Hinzu kommen die höheren Baukosten in Deutschland durch Verteuerungen von Energie und Materialien oder Lieferschwierigkeiten. Für viele Immobilienunternehmen und private Bauherren wird die Finanzierung von Neubauprojekten daher immer schwieriger bzw. unmöglich. Von einer kurzfristigen und nachhaltigen Erholung ist nicht auszugehen.

Absatzmengen und Kostenstrukturen anpassen

Unternehmen und somit auch die Bodenbelagsbranche, die vom Neubau aber auch der Renovierung abhängig sind, sollten sich 2024 darauf einstellen, die Absatzmengen und Kostenstrukturen entsprechend anzupassen. Die Absatzrückgänge in 2023 europaweit bei Bodenbelägen – zum Beispiel Parkett mit einem Minus zwischen 30 und 40 %, Laminat mit -15 % (was in absoluten Zahlen einen Einbruch von 50 Mio. m2-Produktionsmenge entspricht), aber auch bei Designböden und anderen Bodenbelägen – werden 2024 nicht kompensiert werden können.

Wichtig für die zukünftige Unternehmensausrichtung jedes einzelnen Marktteilnehmers werden Innovationen sprich Sortimentsentwicklungen mit Differenzierungsmerkmalen. Herausgegriffen einmal am Beispiel der Produktkategorie Laminat z.B. mit einer wasserfesten Platte, trendfolgenden Dekorentwicklungen und Oberflächenstrukturen, endverbraucherorientierten Recycling-Systemen, das Thema Nachhaltigkeit, aber auch die Kostenstrukturen und Vermarktungsformen. Und: Trotz eingetrübter Aussichten, den Herausforderungen und möglichen Gefahren für die einzelnen Marktteilnehmer sollte man das Jahr 2024 nutzen, um sich für die Zukunft auszurichten.
Ludger Schindler: „Das Jahr nutzen, um sich auf die Zukunft auszurichten“
Foto/Grafik: Archiv SN
Ludger Schindler ist seit vielen Jahren tief in der Branche verankert. Von 1990 bis 2023 war er bei den Meisterwerken in Führungspositionen tätig, zuletzt seit 2009 als Geschäftsführer Vertrieb und Marketing. Zudem stand er von 2002 bis 2018 als Präsident dem Verband der Europäischen Laminatbodenhersteller (EPLF) vor.
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