26.06.2023

Marktbericht Boden: Neuheiten-Offensive gegen die Marktflaute

Gut frequentiert, wenn auch zahlenmäßig geringer als früher (190.000 Besucher statt 250.000 wie zur letzten Veranstaltung 2019), deutlich mehr internationales Publikum und etwas bemüht positive Stimmung angesichts des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes und dem Ausbleiben zahlreicher namhafter Branchenplayer – das war zusammengefasst die BAU 2023 in München. „Schade, dass große Anbieter fehlten. Wir vermissen das“, bedauerte etwa Karl Scheucher, Geschäftsführer der österreichischen Scheucher Holzindustrie, mit dem ausdrücklichen Wunsch, zitiert zu werden, dem wir gerne nachkommen. Und er war beileibe nicht der einzige, der sich so oder ähnlich äußerte.

Zum ersten Mal fielen auf der BAU, auf der man sonst nur über die Warteliste an einen Messestand gelangte, Lücken in den Bodenbelagshallen auf, und man stieß auch unvermutet auf ausländische Aussteller, deren Namen zumindest in der deutschsprachigen Region bislang weniger oder gar nicht geläufig waren. Da stellt sich schon die Frage, ob die hiesigen Marktteilnehmer hier angesichts des zunehmenden Importdrucks – die Parketteinfuhren nach Deutschland sind 2022 um rund 10 % gestiegen bei gleichzeitig schrumpfendem Markt – nicht ungewollt eine offene Flanke bieten. Dies gilt im übrigen nicht nur für das Parkettsegment, sondern genauso für Laminatböden und Designbeläge.

Unruhe und Unsicherheit im Markt

Ja, man kann und muss nicht drumherum reden: Die Zeiten sind schwierig und herausfordernd. Nach einem guten letzten Jahr hat die für 2023 befürchtete Baubremse bereits in den ersten Monaten des Jahres ihre Spuren hinterlassen, Aufträge und Umsätze im Bauhauptgewerbe gehen zurück. Darüber hinaus setzt sich auch der Abwärtstrend bei den Baugenehmigungen weiter fort. Und der private Konsument ist angesichts der hohen Inflation, Zinsen und Energiekosten verunsichert und hält sein Geld zusammen.

Dr. Eckard Kern, Vorsitzender der Eurobaustoff-Geschäftsführung, brachte das aktuelle Dilemma während der Pressekonferenz der Kooperation auf den Punkt: „Die Zahlen 2022 waren geprägt von der Inflation und zweistelligen Preiserhöhungen, während wir gleichzeitig an Menge verloren haben. Das wurde nur durch die Inflation übertüncht. Jetzt haben wir ein Mengenthema und gleichzeitig geben die Preise nach.“ Verschärfend hinzu kommt, dass Unternehmen, die auf Wachstum ausgerichtet sind, Ware in den Markt drücken. Kein Geheimnis, dass auf der BAU zum Teil ehrgeizige Verkaufsdirektiven ausgerufen wurden. In Österreich ist die Situation vergleichbar mit Deutschland, in der Schweiz hingegen etwas besser, weil die Inflation geringer ist und die Zinsen nicht so hoch angezogen haben.

Angesichts dieser anspruchsvollen Gemengelage kommt Unruhe in den Markt, Unsicherheit entsteht. Die Läger sind voll, die Ware fließt nicht ab oder sie sind sogar schon geleert und es wird trotzdem die Produktion gedrosselt oder temporär eingestellt, um nicht wieder Lagerbestände aufzubauen und damit Kapital zu binden. Auch die Umstrukturierungsmaßnahmen etlicher Unternehmen, Kurzarbeit, Personalabbau sowie die vielen Bewegungen auf Managementebene markieren die angespannte Lage.

Stimmung in anderen Ländern weniger angestrengt

In anderen Ländern und Regionen ist die Stimmung weniger angestrengt. In Nordamerika beispielsweise werde die derzeitige Flaute „sportlich genommen“, berichtet einer, der dort unlängst drei Wochen unterwegs war und nur als zeitweiliger Knick in der normalen fünfjährigen Konjunkturwelle gesehen. Aus Gesprächen nahm er mit, dass die Unternehmen diese Phase für Investitionen nutzen und davon ausgehen, dass es in zwei, drei Jahren wieder aufwärts geht.

Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft: Da geht noch mehr

Angesichts des anspruchsvollen Tagesgeschäftes scheinen übergeordnete (Zukunfts-)Themen wie Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft etwas in den Hintergrund zu rücken; zumindest wurden sie auf der BAU, die sie als Leitmotiv ausgegeben hatte, weniger plakatiert als gedacht – von Ausnahmen abgesehen. So will Classen in punkto Nachhaltigkeit eine Führungsrolle in der Branche einnehmen, was sich im Sortiment wie im Standkonzept widerspiegelt, Tarkett hat in seiner Circular Selection bereits 100 recycelfähige Kollektionen zusammengefasst und der niederländische Designbelagsanbieter Vivafloors gibt seit Januar eine 100 % Recyclinggarantie auf sein Sortiment. Auch KWG und Zipse gewähren einigen ihrer Produkte ein 2nd Life und Terrassendielenhersteller Naturinform organisiert eine frachtfreie Abholung seiner Deckings und verarbeitet sie wieder zu Neuprodukten. .

Trend: Kompakte Sortimentsgestaltung

Dem Handel die Beratung erleichtern, dem Endkunden die Orientierung und zugleich Komplexität in Produktion und Lagerhaltung abbauen – gleich mehrere Intentionen verfolgen Parketthersteller wie Hain und ter Hürne und auch Designbelagsanbieter wie Vivafloors mit gestrafften, kompakten, einfach(er) aufgebauten Sortimenten.

Ter Hürne hat einen Parkett-Baukasten entwickelt, der laut Bernhard ter Hürne ^„mit 64 Artikeln 80 % dessen abdeckt, was den heutigen Parkettmarkt ausmacht.“ Basierend auf einem Grundaufbau – 13 mm, 3 mm. Eiche-Decklage, Fichteträger – wird der Endkunde in nur drei Entscheidungsschritten zu seinem Wunsch-Parkettboden geführt: Erstens Design, zweitens Farbton, drittens Sortierung.

Hain wollte den „Zugang zum Sortiment deutlich vereinfachen und auch die Preisliste einfacher gestalten“, ohne die Individualisierungsmöglichkeiten einzuschränken. Das Ergebnis ist eine „Individualisierung mit System“, wie Jörg Peterburs, Marketingleiter der Mutter Meisterwerke erklärt. Das neue Kollektionskonzept basiert entsprechend auf sechs Serien bzw. Formaten, maximal 16 Farben (je nach Holzart) sowie jeweils sechs Sortierungen, Strukturen und Fasen.

Ganz niedrigschwellig will auch der Designbelagsanbieter Vivafloors die Kunden an sein Programm heranführen: 60 Artikel mit durchgängig 0,55 mm Nutzschicht gibt es als Klebesheet zum Einheitspreis und als Klickplanke ebenfalls zum Einheitspreis.


Trend: Heimische Holzalternativen zur Eiche

Unverändert dominiert die Eiche das Marktgeschehen und hat nach der jüngsten FEP-Statistik ihren Anteil europaweit sogar nochmal leicht vergrößert von 81,9 auf 82,1 %. Bislang boten sich in den Standardsortimenten auch kaum andere Optionen. „Aber nun scheint es so, als ob sich viele an der Eiche sattgesehen haben und etwas Neues wollen“, beobachtet Christoph Bawart vom gleichnamigen österreichischen Parketthersteller, „denn immer mehr Kunden fragen uns nach einer Alternative.“ Und die kann Bawart bieten: Buche, Lärche, Tanne, Esche, Birne, Apfel, Kirsche. Besonders ins Licht rückt Bawart die Esche, „interessant und elegant mit Rift/Halbriftsortierung“, bei der der unerwünschte Vergilbungsprozess durch eine Oberflächenbehandlung mit Naturale-Öl minimiert werden könne. Auch andere Unternehmen, die wie Bawart auf die Auftragsfertigung bzw. individualisiertes Parkett spezialisiert sind wie das Tegernseer Dielenwerk oder Hain bringen ihren Kunden andere heimische Holzarten nahe wie die obengenannten, dazu noch Zirbe, Nussbaum und Ulme/Rüster. Admonter aus der Steiermark propagiert seine 2022 eingeführte Stammbaum-Kollektion mit Holzarten aus der Region, selbst die Marktführer wie Hamberger Flooring erweitern ihre Kollektionen mit Esche und Tanne.


Trend: Kein klassisches Parkett, aber echtes Holz

Um den holzaffinen Endkunden abzuholen und ihn nicht an andere Bodenbelagsgattungen zu verlieren, weil ihm klassisches Parkett zu hochpreisig ist, hat die Industrie Furnierböden wiederentdeckt (Hamberger Flooring, Berry Alloc). Meistens werden sie jedoch unter anderen Bezeichnungen vermarktet, um dem Imageproblem von Furnierböden zu entgehen. Oder ein Holzfurnier wird als Decklage auf eine andere Unterkonstruktion aufgebracht.


Trend: Fischgrät im Großformat

Schon seit einigen Jahren unterbrechen Fischgrätmuster die Landhausdielen-Monotonie. Und man sieht sie auch sehr viel in Einrichtungsmagazinen, -blogs und auf den einschlägigen Social Media-Kanälen. Dennoch würden sie sich am Markt nicht nachhaltig durchsetzen, meinen manche und nur einen geringen Absatzanteil erreichen. Dagegen spricht, dass sich in den Kollektionen immer mehr Fischgrätmuster finden – und zwar produktübergreifend. Ter Hürne etwa hat insgesamt 45 Fischgrätvarianten im Programm: als Parkett, Laminat- und Designboden. Coretec Floors, der Rigid Designboden-Anbieter, trägt dem Thema in seiner Naturals Collection gleich mit zehn neuen Dekoren Rechnung.

Im Parkettbereich wird natürlich auch das klassische Verlegemuster Fischgrät zelebriert, gerne in größeren Formaten mit bis zu über 1 m-Stablänge. Schönes Beispiel ist das dreischichtige Walfisch-Fischgrät von Boen, das Schwesterunternehmen Bauwerk Parkett stellte einen Langstab in 1:9 Proportion vor, der über Fischgrät hinaus viele weitere Verlegemustert erlaubt. Und Mefo Floor hatte auf seinem Standboden seine neuen Zweischicht-Stäbe im XXL-Maß verlegt, damit sich die Besucher ein Bild davon machen konnten, wie sie in der Fläche wirken.

Eine Herausforderung bei Fischgrät ist die Verlegung. Wer die Fischgrät-Stäbe nicht kleben will, kann auch klicken – mit der Multiflor Novoloc-Linie des österreichischen Parkettherstellers Scheucher mit 5G-Verbindung. Bei Classen war das erfolgreichste Produkt der BAU das neue Fischgrät-Laminat Manor mit nur einer Dielenvariante statt linker und rechter Elemente: „Das lässt sich leicht und schnell verlegen und spart doppelte Lagerhaltung“.


Trend: PVC-freie Designböden

Deutlich Fahrt auf nehmen PVC-freie Designböden in den verschiedensten Varianten. In München gaben etliche ihr Debüt. Dabei basiert die eine Fraktion auf Holz bzw. Holzwerkstoffen, oft mit Echtholz-Decklage (Multivo/Hamberger Flooring, Uberwood /Classen, Corepel/Swiss Krono).

Die andere setzt auf alternative Polymere, meistens Polyolefin/Polypropylen-Derivate (Ceramin/Classen, Avatara/ ter Hürne, Eco Pur/Barth & Co, Evo/Gerflor).

Sogenannte Naturdesignböden verfügen über Trägerplatten aus mineralischen Verbundwerkstoffen und zum Beispiel eine digital bedruckte Korkdecklage (Mikolan/Zipse). Amorim hat einen CPC-Träger (Cork Polymer Composite) mit Korkanteilen entwickelt.

So lobenswert und in die Zukunft gedacht es einerseits ist, dass die Industrie PVC-freie Produkte entwickelt und forciert, so unübersichtlich und kryptisch sind andererseits diese vielen Insel-Lösungen für Handel und Handwerk und noch viel mehr für den Endkunden.


Trend: Akustikpaneele – funktional und dekorativ zugleich

Mehr Glas, glatte, harte Flächen, wenig oder keine Textilien – so sehen heute moderne Wohn- und Objektumgebungen aus. Und martern die Bewohner oder Nutzer mit einem hohen Geräusch- und Lärmpegel. Die Bodenbelagsindustrie weiß hier Abhilfe – die Leistenbranche übrigens auch – und hat flugs ihre Sortimente mit Akustikpaneelen aus Holz oder MDF, mit oder ohne Filzapplikation erweitert. Sie machen sich übrigens auch gut als dekorative Elemente an der Wand oder im Raum. Hamberger hatte das Thema schon vor zwei Jahren im Blick und im Frühjahr 2021 das thüringische Unternehmen Akustikplus übernommen, das auf Akustiklösungen aus Holz spezialisiert ist. Entsprechend professionell ist das Familienunternehmen heute in diesem Segment aufgestellt, aber auch Hain, ter Hürne, Barth & Co stellten auf der BAU praktikable und attraktive Lösungen vor.

Claudia Weidt
Marktbericht Boden: Neuheiten-Offensive gegen die Marktflaute
Foto/Grafik: SN-Verlag
Eindrucksvoller Auftritt: Zahlreiche Produktpremieren und ein neuer Stand markieren den Wandel von Classen vom Mengen- zum Markenanbieter unter dem neuen Unternehmensslogan „Floors for a better tomorrow“.
Marktbericht Boden: Neuheiten-Offensive gegen die Marktflaute
Foto/Grafik: Bauwerk Group
Fischgrät wurde nicht nur bei Parkett stark thematisiert, vor allem in den neuen XL- und XXL-Formaten. Auf große Aufmerksamkeit stieß beispielsweise das Walfischgrät von Boen.
Marktbericht Boden: Neuheiten-Offensive gegen die Marktflaute
Foto/Grafik: SN-Verlag
Lange wurde nur darüber geredet, gibt es mal etwas anderes zu sehen als nur Eiche. Die Parketthersteller zeigen vermehrt heimische Hölzer, vor allem Esche und Tanne, aber auch Fichte, Kiefer, Ulme und Zirbe. Hamberger Flooring.
Marktbericht Boden: Neuheiten-Offensive gegen die Marktflaute
Foto/Grafik: SN-Verlag
Riesenthema: Akustikpaneele, hier bei Hain zusammen mit dem neuen Möbelprogramm.
Marktbericht Boden: Neuheiten-Offensive gegen die Marktflaute
Foto/Grafik: TDW
Das sind Dimensionen: TDW-Geschäftsführer Heiko Vossler mit der Spezialität des Unternehmens, raumlangen Dielen -Blickfang am Stand und in der Messehalle.
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