Kiesel Bauchemie GmbH u. Co. KG - Ehrenpreis für das Lebenswerk 2023
Kiesel Bauchemie GmbH u. Co. KG, Esslingen
Neugier und Begeisterung für die Bauchemie-Branche
Wolfgang Kiesel ist Unternehmer aus Überzeugung. Seit 1969 ist er in der Bauchemie-Branche aktiv; viele Jahre als Geschäftsführer von Kiesel Bauchemie, inzwischen als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung des Familienunternehmens. Als Meilensteine seines Wirkens gelten der Einstieg in den Parkett-Sektor, der Abschied von den Lösemitteln und der Aufbau der Kiesel Niederlassung Tangermünde. Der Vater von vier Kindern hat inzwischen sechs Enkel – auch aus dieser Perspektive blickt er auf ein beeindruckendes Lebenswerk.
Früh übt sich, wer ein Meister werden will. Für Wolfgang Kiesel trifft dies im besonderen Maße zu. Schon im Alter von fünf Jahren antwortete er auf die Frage, was er einmal werden wolle, einfach und klar mit „Chef“. So ist es gekommen, denn Chef, Verantwortungsträger und begeisterter Teil der Branche ist Wolfgang Kiesel in den vergangenen fünf Jahrzehnten stets geblieben.
Fortschritt und Nachhaltigkeit im Blick
Familienunternehmer aus Überzeugung: Für Wolfgang Kiesel sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seines Unternehmens von besonderer Bedeutung.
1969 trat er in das väterliche Unternehmen ein. Da war Wolfgang Kiesel gerade Anfang 20. Die Firma produzierte damals noch Muffenkitt für die unterirdische Verbindung von Tonrohren. Es wurde mit Materialien wie Asbest und Altöl gearbeitet. „Wenn man heute sieht, wie sauber und ökologisch unsere Produkte hergestellt werden, wird deutlich, was für einen positiven Weg die Baubranche beschritten hat“, meint Wolfgang Kiesel in der Rückschau. An dieser Entwicklung war er maßgeblich beteiligt. Der Anspruch des Esslinger Unternehmens war es stets, in puncto Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein zu den führenden Kräften am Markt zu gehören. Das galt insbesondere, als in den 1990er-Jahren der Abschied von den Lösemitteln vollzogen wurde.
Kiesel Bauchemie gehört zu den Gründungsmitgliedern der „Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegwerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte e.V.“ (GEV). Wolfgang Kiesel: „Es gab in der Branche durchaus Widerstände gegen die Abkehr von den bekannten und funktionierenden Produkten mit hohem Lösemittelanteil. Ich erinnere mich an Aussagen, dass nichts halte, was nicht rieche. Wir waren allerdings überzeugt, dass sich moderne Technik und Rezepturen durchsetzen. Dazu kam schließlich Druck durch politische Vorgaben und aktualisierte Grenzwerte. So wurden GEV und Emicode für uns und die gesamte Branche zur Erfolgsgeschichte.“
Maßgeblich die Entwicklung des Unternehmens geprägt
Als Wolfgang Kiesel Ende der 1960er-Jahre seine ersten beruflichen Fußstapfen im Familienunternehmen hinterließ, waren jedoch zunächst einmal schwäbische Basistugenden gefragt. Der Firmensitz in Esslingen liegt zentral in Baden-Württemberg, dem „Ländle“, das für Innovationskraft und unternehmerischen Mut steht. Und den brauchte es, als Vater Otto Kiesel sich für die Abkehr vom Muffenkitt und den Weg hin zu Schnellzementen für den Hochbau entschied. „Diese Entscheidung ist die Grundlage für das Unternehmen Kiesel, wie es heute besteht“, sagt Wolfgang Kiesel. „Es gab damals schon einige starke Wettbewerber in diesem Bereich. Dennoch sah mein Vater die Marktchancen. Aus heutiger Sicht kann man sagen: Er hat alles richtig gemacht.“
Wolfgang Kiesel unterstütze seinen Vater bei der Umsetzung von dessen Plänen und begleitete die Entwicklung von Kiesel zum Bauchemie-Spezialisten. Zunächst war der Fokus auf Fliesenmörtel gerichtet, in den 1970er-Jahren kamen Spachtelmassen und Fußbodenklebstoffe hinzu. „Damals haben wir auch unsere ersten Anwendungstechniker angestellt. Dies war ein entscheidender Schritt hin zu technischer Kompetenz und hat uns – gemeinsam mit einer verbesserten Vertriebsstruktur – unseren Handwerkskunden deutlich nähergebracht“, so Wolfgang Kiesel. Dass er an diesen Meilensteinen maßgeblich beteiligt war, fasst der Unternehmer zusammen: „Ich bin jung in die gerade seit zehn Jahren existierende Firma meines Vaters eingetreten. Alles, was Kiesel heute ausmacht, habe ich miterlebt und aktiv gestaltet. Auch deswegen sehe ich mich nicht unbedingt als die zweite Familiengeneration im Unternehmen. Ich würde eher sagen, die Anderthalbte.“
Bakit: Die Gelben aus Esslingen machen in Parkett
In den 1980er-Jahren befand sich das Esslinger Unternehmen weiterhin auf Expansionskurs. Dabei wurden Entscheidungen getroffen, die die Wahrnehmung und das Geschäftsmodell von Kiesel Bauchemie bis heute prägen. Einerseits wurde gelb zur Markenfarbe. Seitdem sind die Gebinde des Bauchemie-Herstellers einheitlich in dieser Farbe gestaltet, wenn auch das oberflächliche Design der Eimer, Säcke und Kanister einige Facelifts durchlaufen hat.
Zudem machen die Gelben aus Esslingen seit 1986 in Parkett. Damals ergab sich die Möglichkeit, den Bereich Fußbodentechnik von der Firma Bauder zu kaufen. Wolfgang Kiesel ergriff die Gelegenheit und übernahm neben erfahrenen Mitarbeitern auch den Markennamen der Parkett-Klebstoffe. Bis heute tragen die Kiesel Parkett-Produkte die Bezeichnung Bakit. „Der Einstieg in den Parkett-Sektor war für uns eine weitreichende Entscheidung. Getragen wurde sie von der Überzeugung, dass ein natürlicher und edler Bodenbelag dem Trend der Zeit entspreche“, resümiert Wolfgang Kiesel. „Das Hinzugewinnen eines neuen Geschäftsfeldes ist immer eine Wette auf die Zukunft. Im Bereich der Verlegewerkstoffe für Parkett ist diese für uns voll aufgegangen.“
Kiesel in Tangermünde: „Das Abenteuer meines Lebens“
Ebenso positiv wirkten sich die Zeitläufte auf das Unternehmen aus. Als es 1989/1990 zur friedlichen Revolution in der DDR und schließlich zur Wiedervereinigung Deutschlands kam, verfolgte Wolfgang Kiesel die Ereignisse aufmerksam mit. „Mir war klar: Das Zusammenwachsen Deutschlands bietet große Chancen für die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für die Unternehmen. Gerade für die Baubranche entstand in der Region Nord-Ost ein ganz neuer Markt mit viel Potential. Da wollten wir unbedingt dabei sein“, erinnert sich der Unternehmer. Und so war er quer durch die Republik unterwegs, um Partner und Kunden für die Zusammenarbeit in den neu entstehenden Bundesländern zu suchen. Fündig wurde er schließlich in Tangermünde in Sachsen-Anhalt. Die dortige Leimfabrik wurde 1992 als Niederlassung in das Unternehmen eingegliedert.
Next Generation: Anfang 2022 übergab Wolfgang Kiesel das Ruder im Unternehmen an seine Tochter Beatrice Kiesel-Luik und Thomas Müllerschön.
Wolfgang Kiesel: „Tangermünde war für mich das Abenteuer meines Lebens überhaupt. Dort habe ich Menschen kennengelernt, die voller Begeisterung am Erfolg der Firma Kiesel arbeiten. Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Tangermünde sind nun schon seit vielen Jahren dabei und gelten als besonders treue Kollegen. Auch die Kundschaft in der Region zeichnet sich durch eine starke Verbindung zu Kiesel aus.“ Ein besonderes Ereignis war der Umzug der Niederlassung in das neue Gewerbegebiet der Stadt. Als eines der ersten Unternehmen siedelten sich die Esslinger dort an – davon kündet auch die Adresse vor Ort: Im Gedenken an den Firmengründer residiert man in der Otto-Kiesel-Straße 1.
Neugier und Entspannung: die Übergabe der Verantwortung
Im Jahr 2021 wurde Wolfgang Kiesel 75 Jahre alt. Noch immer ist er ein leidenschaftlicher und begeisterter Teil der Branche. Er erklärt: „Ich war stets neugierig. Das ändert sich nicht. Deswegen verfolge ich Innovationen und allgemeine Entwicklungen im Markt sehr aufmerksam.“ Heute kann er dies jedoch etwas entspannter tun: Seit Januar 2022 führen seine Tochter Beatrice Kiesel-Luik und Thomas Müllerschön die Geschäfte von Kiesel Bauchemie. „Wir haben hier ein Team aufgestellt, das prima miteinander harmoniert. Für mich ist es ein freudiges Gefühl, nach vielen Jahren an der Spitze nun nicht mehr täglich im operativen Geschäft zu stehen und die alleinige Verantwortung zu tragen. Tage mit den Enkeln und die Beobachtung von deren Entwicklung sind dafür ein mehr als gleichwertiger Ersatz“, strahlt Wolfgang Kiesel.
Ferdinand Kiesel
Ehrenpreis für das Lebenswerk des Jahres 2023