Unilin BV - Ehrenpreis für das Lebenswerk 2022
Frans de Cock, Wielsbeke

Frans de Cock, Wielsbeke

Visionär und Stratege


Als einen der „wahren Wirtschaftskapitäne Belgiens“ bezeichnete ihn einmal eine belgische Tageszeitung: Frans De Cock. Er war und ist genauso ein Tycoon der Bodenbelagsbranche, denn auch nach seinem Rückzug aus dem aktiven Geschäftsleben 2018 zieht er im Hintergrund noch manchmal die Fäden. De Cock hat in 40 Jahren maßgeblich die Expansion des großen Laminatherstellers Unilin vorangetrieben, und er steht auch für die Entwicklung des leimlos verlegbaren Uniclic-Systems, dessen weltweiter Verbreitung und war damit ein Wegbereiter des Siegeszugs der Klicksysteme.

Er sei einer der „wahren belgischen Wirtschaftskapitäne“ schrieb eine belgische Tageszeitung 2005 anlässlich eines der seltenen Interviews, die Frans De Cock in seiner aktiven Berufslaufbahn gab. Anlass war damals die Übernahme von Unilin, des Unternehmens, dessen Expansion der Belgier maßgeblich vorangetrieben hat, durch den US-amerikanischen Bodenbelagskonzern Mohawk, der mit der Akquisition seine Position als weltweite Nr. 1 stärkte und ausbaute.

Das 2,22 Mrd.-Geschäft, fast der dreifache damalige Umsatz von Unilin, einer der wohl größten Deals in Belgien und auch der Bodenbelagsbranche, war sicher einer der Höhepunkte der Karriere von Frans De Cock, die 1969 mit dem Einstieg bei Unilin ihren Anfang nahm. 1960, mitten in der Flachskrise, hatten mehrere Familien aus Südwestflandern, die in der Flachsindustrie tätig waren, ihre Ressourcen gebündelt und mit der Produktion von Spanplatten begonnen. Das Startkapital damals betrug 28 Mio. alte belgische Franken, umgerechnet würde das heute ca. 700.000 EUR entsprechen. Das Gemeinschaftsprojekt nannten sie, „Union de Lin“, kurz Unilin. Eine der Gründerfamilien hieß De Cock, eine andere Thiers.

Potenzial von Laminatböden früh erkannt

In den 1970er und 1980er Jahren wuchs und diversifizierte das Unternehmen, veredelte die Platten und stellte auch Dachelemente her. Dann geschah in der zweiten Hälfte der 80er Jahre etwas Entscheidendes, was nicht nur die Bodenbelagsbranche revolutionieren, sondern auch Unilin in ungeahnte Höhen katapultieren sollte: In Schweden wurde eine komplett neue Produktgattung erfunden, der Laminatboden. Und Frans De Cock, stets aufgeschlossen gegenüber Neuem, vorwärtsdenkend und visionär, erkannte dessen Potenzial. Flugs wurde in Wielsbeke eine Laminatfertigung aufgebaut, wobei die Holzwerkstoffkompetenz hilfreich war. Die Belgier gehörten fortan zu den Vorkämpfern für den neuen Bodenbelag – und der Erfolg gab ihnen Recht.

Markenstrategie als Basis für Expansion

Frans De Cock dachte wieder weiter. Er wollte weg vom Massengeschäft, Unilin auf Innovation und Qualitätsprodukte trimmen, eine Markenstrategie implementieren und von Belgien aus die Welt erobern – den Übergang vom eher lokalen Geschäft zum internationalen Business in Angriff nehmen. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war die Einführung der Marke Quick-Step 1990, die in den Folgejahren mit professionellen Marketing im Markt etabliert wurde. Und auch hier landete De Cock einen wahren Coup: Er nutzte die Radsportbegeisterung der Belgier und sponsorte ein Profi-Team, das den Namen Quick-Step in ganz Belgien und über die Landesgrenzen hinaus populär machte.

Zweite Bodenbelags-Revolution

Frans de Cock, Wielsbeke
2| Frans De Cock, sein Sohn Paul De Cock und Meisterwerke-Geschäftsführer Ludger Schindler 2016 am Rande der Parkett Star-Preisverleihung; 2022 wird Frans De Cock selbst mit dem Ehrenpreis für sein Lebenswerk gewürdigt.

1997 folgte der nächste Geniestreich; De Cock hatte wieder das richtige Gespür für eine bahnbrechende Innovation: Die Belgier entwickelten ein Klicksystem für die leimlose Verlegung von Laminatboden und ließen es unter dem Namen Uniclic patentieren. Auch diese Erfindung sollte die Bodenbelagswelt aus den Angeln heben, wenngleich damals noch keiner ahnen konnte, dass sie sich als Standard nicht nur für Laminat, sondern auch Parkett und Designbeläge durchsetzen würde. Anstatt ihre patentierte Technologie vor Wettbewerbern zu schützen, beschlossen Frans De Cock und sein Geschäftsführungskollege Bernard Thiers, sie an andere Bodenbelagshersteller zu lizensieren. Den Anstoß dazu soll übrigens damals Meisterwerke-Patriarch Johannes Schulte gegeben haben – und die Meisterwerke waren auch der erste Lizenznehmer. Heute werden die Klicksysteme von Unilin von mehr als 350 Bodenbelagsproduzenten in der ganzen Welt eingesetzt.

In den Folgejahren unterstrich Unilin mit beträchtlichen Investitionen intern wie extern seinen Anspruch auf eine Führungsrolle im Laminatmarkt. Jedes Jahr, wenn man den Stammsitz in Wielsbeke besuchte, war er erweitert, ausgebaut und modernisiert worden. Wobei es Frans De Cock nicht nur um eine Vergrößerung der Kapazitäten ging, sondern vielmehr darum, die Fertigung des mittlerweile vollintegrierten Unternehmens stets auf dem neuesten technischen Stand zu halten, um ein hohes Qualitätsniveau garantieren zu können. Parallel stärkten die Belgier ihre internationale Präsenz, vor allem auf dem vielversprechenden US-amerikanischen Markt. Binnen weniger Jahre gelang es ihnen, sich dort als Nr. 1 zu positionieren.

Übernahme durch Mohawk

Der Erfolg von Unilin blieb in der Finanzwelt nicht verborgen und weckte Begehrlichkeiten. 2005 bekundete Finanzinvestor CVC Capital Partners Interesse an einer Übernahme des Unternehmens, damals eine Aktiengesellschaft in Streubesitz. Weitere namhafte Bewerber aus der Großfinanz kamen hinzu. Erst spät trat der Bodenbelagskonzern Mohawk auf – und machte das Rennen, unter anderem wohl auch deshalb, weil die Chemie zwischen De Cock, Thiers und Mohawk-CEO Jeffrey Lorberbaum stimmte. Mit der spektakulären Akquisition überholten die Amerikaner ihren ewigen Konkurrenten Shaw und setzten sich weltweit an die Spitze der Branche. Frans De Cock blieb CEO von Unilin und wurde gleichzeitig als „President Flooring Rest of the World“ Mitglied des Mohawk-Vorstandes. Auf die Frage, was sich für Unilin durch die neue Muttergesellschaft ändere, antwortete er: „Wir werden weiterhin unsere Marke Quick-Step vermarkten, aber auch Laminat für Mohawk produzieren. Wir werden der Dreh- und Angelpunkt des Laminatgeschäftes innerhalb der Gruppe sein.“ 2009 übergab der damals 67-Jährige die Führung der Unilin-Gruppe an seinen langjährigen Mitstreiter Bernard Thiers, für die Bodensparte Unilin Flooring übernahm sein Sohn Paul De Cock die Verantwortung, ebenso ambitioniert und befähigt wie der Vater. Frans De Cock wurde in den Aufsichtsrat von Mohawk berufen, wo er zwar nicht mehr an vorderster (Geschäfts-)Front stand, aber nicht minder einflussvoll wirkte: Die Eröffnung von Laminatwerken in Russland und Brasilien, die Übernahme des Laminaterfinders Pergo, der Zukauf von Großhändlern, die Investition in eigene Parkettkapazitäten und nicht zuletzt der Erwerb des CV- und Designbelagsspezialisten IVC samt Laminattochter Balterio waren weitere gezielte Schritte, um die Stellung als Branchenprimus zu festigen.

Beste Reputation, beste Kontakte

Frans de Cock, Wielsbeke
Ansicht des Geländes von oben

2018 schließlich schied der Flame mit dem Erreichen der Altersgrenze aus dem Mohawk-Aufsichtsrat und damit dem aktiven Geschäftsleben aus. Was ihn nicht daran hindert, seine umfassende Expertise, sein profundes Branchenwissen, sein strategisches Denken und seinen Weitblick auch weiterhin einzubringen – wenn auch diskret aus dem Hintergrund. Aber ganz ins Privatleben zurückziehen, entspricht nicht seinem vorwärtsstrebendem Naturell.

Frans De Cock ist ein Visionär, aber mit Bodenhaftung, eher strategisch als idealistisch orientiert. Und er ist ein Grandseigneur par excellence, ein Gentleman alter Schule, stets makellos gekleidet, Connaisseur edler Weine und Liebhaber von Havanna-Zigarren. Weltgewandt, zuvorkommend und verbindlich genießt er höchstes Ansehen in der gesamten Branche. Weggefährten und Geschäftspartner beschreiben ihn als fair und verlässlich, im besten Sinne „ehrenwerten Kaufmann“, der zu seinem Wort steht und lieber ein klares „Nein“ äußert als herumzulavieren. Kein Wunder, dass er topvernetzt und dadurch auch immer topinformiert ist. 2022 feiert Frans De Cock seinen 80. Geburtstag und kann auf ein Lebenswerk zurückblicken, das seinesgleichen sucht.

Claudia Weidt



Ehrenpreis für das Lebenswerk des Jahres 2022
Unilin BV
Ooigemstraat 3
08710 Wielsbeke
Internet: www.unilin.com
Telefon: +32 (0) 56 675211
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