Zipse GmbH & Co. KG - Ehrenpreis für das Lebenswerk 2021
Lothar Zipse

Lothar Zipse, † 12. Juni 2020

Partnerschaft als oberstes Gebot


Im Oktober 2020 hätte Lothar Zipse das 40-jährige Jubiläum seines Unternehmens gefeiert. Er hat es nicht mehr erleben dürfen, weil er eines der Opfer der Corona-Pandemie wurde. Familie, Mitarbeiter, Kollegen, Weggefährten, Kunden waren tief erschüttert über seinen Tod. Der Ehrenpreis für sein Lebenswerk kann ihm deshalb nur posthum verliehen werden. Aber der Vollblut-Unternehmer hatte vorgesorgt und seine Nachfolge klug und weitblickend geregelt, so dass die Zukunft dessen, was er aufgebaut hat und aller Mitarbeiter gesichert ist.
Manchen ist das Unternehmertum in die Wiege gelegt, und sie führen mehr oder weniger erfolgreich das fort, was die Generationen vor ihnen hinterlassen haben. Andere bauen alles aus eigener Kraft auf – so wie Lothar Zipse den Importeur, Exporteur und Manufakturbetrieb Ziro und die Zipse Ausbaufachmärkte. Der älteste von drei Brüdern, Jahrgang 1956, absolvierte nach dem Abitur eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann und war zunächst im Außendienst eines Baustoffhändlers tätig. Schnell stellte der junge Zipse fest, dass er sich nicht als Befehlsempfänger eignet.

Damals, 1980, herrschte die erste Energiekrise. Öl wurde plötzlich knapp, die Dämmung von Wohngebäuden ein Thema. Deutsche Produzenten von Glas- und Steinwolle lieferten nur schleppend und waren teuer. Der 24-Jährige erkannte seine Chance: den Import von Glaswolleprodukten aus der Schweiz. In der Scheune des elterlichen Anwesens in Herbolzheim-Tutschfelden gründete er am 3. Oktober 1980 einen Ein-Mann-Dämmstoffhandel. „Ich wollte selbstständig und unabhängig sein“, erinnerte er sich einmal im Gespräch, „habe mit null Kapital angefangen und hatte nichts zu verlieren“. Vormittags erledigte er die Büroarbeiten, mittags fuhr er die Ware aus, abends besuchte er Kunden. Das Geschäft entwickelte sich schneller als geplant: Bereits nach einem Jahr eröffnete der Jungunternehmer unter seinem Namen den ersten Ausbaufachmarkt in Gundelfingen.

Schneller Aufbau, konsequenter Ausbau

Ins Jahr 1980 fiel auch die Gründung der Grünen. Wohl auch in Zusammenhang mit der Energiekrise entwickelte sich ein ökologisches Bewusstsein und im Zuge dessen auch ein ökologischer Baustoffhandel. Zipse bewies wieder das richtige Gespür: In Spanien hatte er einen neuartigen Dämmstoff aus Kork entdeckt, und der biologische Baustoffhandel zählte zu den ersten Kunden. Die Korkprodukte prosperierten, so dass er sich voll darauf konzentrierte und sich von synthetischen Dämmstoffen von einem auf den anderen Tag verabschiedete.

Wenig später eroberte eine Bodenbelags-­Innovation den deutschen Markt: Korkparkett zur festen Verklebung, das der umtriebige ­Zipse ebenfalls aus Spanien importierte. Damit gelang ihm der Einstieg in den Holzhandel. In den Folgejahren dehnte er das Vertriebsgebiet erst auf ganz Deutschland, dann auf das benachbarte europäische Ausland aus, ließ 1985 die eigene Bodenmarke Ziro eintragen und weitete das Sortiment immer mehr aus: Mit Kork-Fertigparkett, Parkettböden, Laminat, Vinyl-Designbelägen, Terrassendielen, PVC-freien Designböden und Zubehör. Stetig und konsequent setzte er die Expansion fort, erwarb Immobilien, errichtete im badischen Kenzingen seine Firmenzentrale, baute Schulungsräume und Lagerflächen und erhöhte die Zahl der Zipse-Ausbaufachmärkte auf vier in der Region.

Unternehmer durch und durch

Die schnelle Entschlusskraft, mit der er seine Unternehmerkarriere startete, die Risikobereitschaft, ohne leichtsinnig zu sein, das intuitive Gefühl dafür, wohin sich der Markt bewegen könnte und welche Produkte Potenzial versprechen, zeichneten Lothar Zipse aus. Er war Unternehmer durch und durch, dem Leistung und Loyalität wichtig waren, mit hohen Ansprüchen an sich selbst und seine Mitarbeiter. Er wusste, was er wollte, gab die Richtung an und lief auch vorweg. Unermüdlich engagierte er sich für seine Unternehmungen und seine Kunden, war auf jeder Branchenveranstaltung präsent, abends mit Geschäftspartnern lange an der Bar und morgens im Plenum derjenige, der den Referenten aufmerksam zuhörte und sich Wichtiges notierte.

Partnerschaft als oberstes Gebot

Er war wach, vielseitig interessiert, nicht bequem, mehr direkt als diplomatisch, mehr offensiv als defensiv. Er hatte keine Angst, den Finger in offene Wunden zu legen. Seine manchmal etwas hemdsärmelige Art konnte die Tiefe überdecken, mit der er über Politik, Gesellschaft und die Branche reflektierte. Er blickte über den Tellerrand hinaus, machte sich viele Gedanken über Nachhaltigkeit und die Welt von morgen – vor allem vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, die ihn schließlich das Leben kosten sollte.

Zipse fürchtete in der Folge negative gesellschaftliche Auswirkungen wie eine weitere Spreizung der Einkommenspyramide, sah aber auch Chancen für die Unternehmen und Dienstleister, „die leistungsbereit und leistungsfähig sind, sich auf ihre Stärken besinnen und ihre Grenzen kennen, motivierte Mitarbeiter haben und ein klares Geschäftsmodell kommunizieren und umsetzen“. Er hat immer wieder betont, dass für ihn persönlich, seine Unternehmen und seine Mitarbeiter Partnerschaft als oberstes Gebot über den Geschäftsbeziehungen mit Kunden wie Lieferanten stehe. „Partnerschaft statt gegenseitiger Ausbeutung oder Übervorteilung, Geben und Nehmen, Wertschöpfung statt Wertevernichtung. Wir setzen darauf, dass diese Werte nicht altmodisch und überholt sind und sich in Folge der Krise der eine oder andere wieder darauf zurückbesinnt.“

"Ich bin und bleibe Kork-Fanatiker"

Lothar Zipse
Bei allem Erfolg immer auf dem Boden geblieben, lebensfroh, geradeaus, vielseitig interessiert: Lothar Zipse bei seinem letzten Messeauftritt auf der Domotex 2020.
Von sich selbst sagte Lothar Zipse, der die Fähigkeit zur Selbstironie besaß, ein großzügiger Gastgeber war und bei allem Erfolg immer auf dem Boden blieb: „Ich passe nicht in das Schema des ,modernen’ Unternehmerbilds. Ich habe eine tief verankerte soziale Grundeinstellung, in meiner Jugend geprägt durch Willy Brandt, und sehe mich durchaus als Querdenker. Zu den herausragenden deutschen Politikern zähle ich Helmut Schmidt, der zu seinen Überzeugungen stand, auch wenn es für ihn selber persönlich schädlich war. Auch Winfried Kretschmann als ehemaliger Aktivist des Kommunistischen Bundes Westdeutschland mutiert zum gütigen Landesvater von Baden-Württemberg. Für viele überraschend wird sein, dass ich auch Sahra Wagenknecht aufgrund ihrer wirtschaftlichen Sachkompetenz für eine herausragende Politikerin halte. Besonders schätze ich meinen Landsmann Wolfgang Schäuble, der für Deutschland Großes geleistet hat.“ Dieses Zitat zeigt, wie differenziert er dachte und beurteilte.

Das Herz von Zipse schlug für Kork. „Ich bin und bleibe Kork-Fanatiker“, betonte er immer wieder und warb unablässig für das natürliche und nachhaltige Naturmaterial, auch wenn er mit anderen Produkten längst mehr Umsatz erzielte. Er prangerte das „systematische Herunterwirtschaften der Verkaufspreise und den Missbrauch von Korkböden als Preis-Lockvogel in den Baumärkten“ an, und kritisierte auch den Fachhandel, der oft den bequemen Weg suche und den Aufwand für beratungsbedürftige Produkte scheue. „Im Gegensatz dazu setzen wir nach wie vor auf Kork“, unterstrich er noch in seinem letzten Interview im Frühsommer 2020 in Parkett Magazin. „Wir schulen intensiv, entwickeln die Produkte weiter und haben unseren Marktanteil in den letzten Jahren mehr als verdoppelt.“

Lebenswerk bleibt bestehen

Seine Unternehmen waren Lothar Zipses Lebenswerk, aber nicht sein Leben. Er liebte seine badische Heimat und deren leibliche Genüsse – und stand auch dazu: „Ich bin ein Gourmet-Gourmand (Feinschmecker-Vielfraß).“ Dieses Zitat wollte er ausdrücklich in seinem letzten Interview stehen lassen. Ebenso war er Kenner guter Weine und Portweine, Fan und Sponsor des Fußball-Bundesligisten SC Freiburg, passionierter Springreiter, Wanderer und Radfahrer – „ohne E-bike“, wie er gerne betonte. Sein Credo war: „Es ist besser, im Kleinen etwas zu tun, als im Großen darüber zu reden.“ So war er unter anderem ein generöser Spender, tat dies aber nicht nach außen kund.

Es war fast so, als hätte er etwas geahnt: In dem bereits erwähnten letzten Interview anlässlich des bevorstehenden Firmenjubiläums kurz vor seinem Tod hatte Lothar Zipse geäußert, dass sein kerngesundes Unternehmen mit seinem tüchtigen, engagierten, motivierten Team auch ohne ihn funktionieren würde. Und sich gewünscht, dass es nachhaltig und unabhängig bestehen bleibt. Sein Wunsch hat sich erfüllt – und für die Erfüllung hat er selber klug und weitblickend vorgesorgt, indem er in seinem Testament die Fortführung unter der Ägide des bewährten Leitungsteams Jürgen Heizmann, Edgar Huber, Gerda Wedelich und Peter Zeidl sowie seines Bruders Thomas Zipse als Mehrheitseigner und alleiniger Geschäftsführer verfügte. Alle halten auch Anteile. Das Jubiläumsjahr 2020 hat das Unternehmen Zipse mit einem Zuwachs abgeschlossen. Die Zukunft von Lothar Zipses Lebenswerk ist gesichert. cw



Ehrenpreis für das Lebenswerk des Jahres 2021
Zipse GmbH & Co. KG
Tullastr. 26
79341 Kenzingen
eMail: info@ziro.de
Internet: www.ziro.de
Telefon: 07644 / 91190
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