15.12.2023

Bodenhandwerk: Warum Spachtelmassen eine eigenständige Anwendungsnorm benötigen

Parkett- und Bodenleger teilen in der Regel die Meinung, dass es sich bei Spachtelmassen und Estrichmörteln um separate Produktgattungen handelt. Es gibt in der Bodenbranche dennoch Bestrebungen, Spachtelmassen wie Estriche zu behandeln. Der Sachverständige Dominik Kison und der TKB-Vorsitzende Dr. Norbert Arnold (Uzin Utz) sprechen sich dafür aus, Spachtelmassen ganz bewusst nicht als Estriche zu behandeln.

Fußbodenspachtelmassen, nachfolgend vereinfacht als Spachtelmassen bezeichnet, werden auf Baustellen zum ganz überwiegenden Teil von den Gewerken verarbeitet, die später auch die Bodenbeläge als Nutzschicht auf die Untergründe verlegen. Im Regelfall sind dies Parkett- und Bodenleger, Raumausstatter, Maler und in geringerem Maße Fliesenleger. In wenigen Fällen auch Unternehmen, die zuvor die Estriche im Objekt eingearbeitet haben und über eine eigene Bodenbelagsabteilung verfügen. In den seltensten Fällen werden Spachtelmassen vom Estrichleger im Objekt eingebaut. Aktuell behaupten einige Verbände und Organisationen bzw. deren Mitglieder, Spachtelmassen wären Estriche und seien und demzufolge auch durch die Estrichnormen zu regeln. Als Beleg für diese Annahme wird dann häufig die CE-Kennzeichnung nach DIN EN 13813 herangezogen, die von vielen - nicht allen - Herstellern genutzt wird, um z. B. das Brandverhalten ihrer Produkte nachzuweisen.

Für die oben genannten Verarbeiter von Spachtelmassen ist klar, dass Spachtelmassen und Estrichmörtel zwei unterschiedliche Produktgattungen sind, die sich auch hinsichtlich Produktaufbau und -anwendung stark unterscheiden. Nicht zuletzt, um diese Diskussionen zu versachlichen, wurde der Entwurf für eine Anwendungsnorm von Spachtelmassen (E-DIN 53298) erarbeitet, der sich aktuell in der Abstimmung der interessierten Kreise befindet. Für den interessierten Verarbeiter sind nachfolgend die Normungssituation zu Spachtelmassen und Estrichen sowie die Verarbeitung von Spachtelmassen auf der Baustelle beschrieben und erläutert.

Normungssituation zu Estrichen und Spachtelmassen

Die grundlegenden Begriffe zu Estrichmörteln sind in der DIN EN 13318 aufgeführt. Danach zeichnen sich laut Punkt 2.2 „Estriche“ (als Bauteil) dadurch aus, dass sie folgende Funktionen erfüllen:
- über sie wird eine vorgegebene Höhenlage erreicht
- sie können einen Bodenbelag aufnehmen und/oder
- sie können unmittelbar genutzt werden

Die Norm beschreibt damit das, was wir auf Baustellen z. B. als schwimmenden oder Verbundestrich vorfinden. Diese Norm definiert unter Punkt 8.4 darüber hinaus die „Spachtelschicht“ als dünne Schicht, die auf einen Estrich aufgebracht wird, um eine ebene/glatte Oberfläche zur Aufnahme von Bodenbelägen herzustellen. Damit liefert sie eine treffende Beschreibung für die allseits bekannte Anwendung von Spachtelmassen und unterscheidet damit klar die beiden Begriffe Estrich/Estrichmörtel bzw. Spachtelschicht/Spachtelmasse. Die Spachtelschicht ist also kein Estrich, sondern eine Schicht, die auf den Estrich aufgebracht wird.

Laut Punkt 5.1 der deutschen Anwendungsnorm für Estriche DIN 18560-1 muss ein Estrich in jeder Schicht hinsichtlich Dicke möglichst gleichmäßig sein. Eine der Hauptfunktionen einer Spachtelschicht ist es nun gerade, eine ebene Oberfläche zu liefern. Um Unebenheiten im Untergrund auszugleichen, muss sie daher zwangsläufig unterschiedliche Schichtdicken aufweisen. Damit schließt die DIN 18560-1 Spachtelschichten als Estriche de facto aus und bestätigt damit auch die Definitionen der DIN EN 13318.

Werden Spachtelschichten in größeren Schichtdicken aufgebracht, werden die relativen Schichtdickenunterschiede innerhalb der Spachtelschicht immer kleiner und es kommt zu einem fließenden Übergang von der Spachtelschicht zu einem fließfähigen Dünnestrich.
Zur Erläuterung: Soll ein Unterschied von 1 mm auf einer Estrichoberfläche durch eine Spachtelmasse bei einer Mindestdicke von 1 mm ausgeglichen werden, wird die Spachtelschicht eine Dicke von 1 bis 2 mm aufweisen. Die Schichtdickenunterschiede innerhalb einer Fläche können somit 100 % betragen. Soll die Spachtelschichtdicke dagegen 10 mm betragen, sinkt der Schichtdickenunterschied auf nur noch 10 %.

Hier klare Verhältnisse und damit Anwendungssicherheit zu liefern, ist eine Hauptziel der deutschen Anwendungsnorm E-DIN 53298. Schichten mit Dicken oberhalb 20 mm sind danach als Estriche anzusehen. Solche Estriche sind baurechtlich zwingend aus CE-gekennzeichneten Estrichmörteln herzustellen. Werden solche Estriche aus Spachtelmassen hergestellt (sofern diese dafür technisch geeignet sind), müssen diese eine CE-Kennzeichnung besitzen. Für Spachtelschichten und die Produkte zu deren Herstellung gibt es dagegen keine gesonderten regulatorischen Anforderungen.

Die aufgeführten Erläuterungen zu den Produkten und Bauteilen werden ergänzt durch die Ausführungsnormen der VOB Teil C. Während DIN 18353 (Estricharbeiten) keinerlei Hinweise auf Spachtelschichten oder Spachtelmassen enthält, sind in den drei Normen zur Verlegung von Bodenbelägen (DIN 18352, DIN 18356 und DIN 18365) Spachtelarbeiten bereits in Kapitel 0, den „Hinweisen für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung“ enthalten. DIN 18365 widmet unter Punkt 2.11 Vorstrichen und Spachtelmassen einen eigenen Absatz und in DIN 18356 ist Spachteln unter Punkt 4.2.5 als besondere Leistung gelistet.

Aus allen drei Normungsgebieten - Bauteil, Anwendung und Verarbeitung - geht somit klar hervor, dass es sich bei Estrichen und Spachtelmassen um zwei gänzlich unterschiedliche Produktgruppen handelt.

Spachtelmassen auf der Baustelle

Spachtelmassen sind auch in der täglichen Baustellenpraxis bei der Fertigstellung von Fußbodenkonstruktionen nicht mit Estrichen zu vergleichen. Zum einen, weil die Spachtelmasse eine der Systemkomponenten der Parkett-, Bodenbelag- oder Fliesenverlegung ist und daher auch auf die Klebstoff- und Vorstrichsysteme abgestimmt sein muss. Die vollflächige Spachtelung eines Untergrunds mit einer Bodenspachtelmasse erfordert eine hohe Präzision um die hohen Anforderungen an die Ebenheit für die spätere Verlegung der Beläge zu erreichen. Die zulässigen Toleranzen nach DIN 18 202 können die Anforderungen an einen Untergrund vor der Verlegung, insbesondere elastischer Bodenbeläge, großformatiger Parkettelemente oder großformatiger keramischer Beläge meist nicht abbilden, weshalb auf Untergründen vor der Verlegung der zuvor genannten Beläge Spachtelungen zur Verbesserung der Ebenheit erforderlich sind.

Diese Anforderungen werden gewerketypisch eher von den Auftragnehmern der Bodenbelagsbranche zu erfüllen sein, als von den Erstellern der Estrichkonstruktion. Da die jeweiligen Schwerpunkte der unterschiedlichen Handwerker sich stark unterscheiden und es beispielsweise bei der Erstellung des Estrichs maßgeblich auf die grundsätzliche Tragfähigkeit des Estrichs ankommt und nicht auf die Herstellung von Oberflächen mit hohen Ebenheitsanforderungen, die weit über den zulässigen Toleranzen für Estriche nach DIN 18 202 angesiedelt sind.

Des Weiteren sind Spachtelungen oft notwendig, um eine ausreichende und gleichmäßige Saugfähigkeit des Untergrundes sicherzustellen, insbesondere beim Einsatz von wasserbasierten Klebstoffsystemen. Auch ist auch eine Spachtelmassenschicht auf der Oberseite eines Estrichs keine lastabtragende Schicht, die für sich selbst genommen, Lasten abtragen kann. Bodenspachtelmassen werden in der Regel immer direkt im Verbund auf der Estrichoberfläche aufgearbeitet und dies in den meisten Fällen in Schichtdicken bis maximal 5 mm. Mit Bodenspachtelmassen werden saugfähige und ausreichend ebene Untergründe für die Verlegung des jeweiligen Bodenbelags erstellt und auch geringfügige Höhendifferenzen zwischen benachbarten Raumeinheiten angeglichen weitere typische Einsatzbereiche sind Anspachtelungen an Treppen, Anrampungen beim Belagsübergang oder an Türdurchgängen. Im Sanierungsbereich werden Spachtelmassen zum Ausgleich von Unebenheiten innerhalb der Estrichkonstruktionen nach der Entfernung alter Verlegewerkstoffe ausgeglichen.

Baustellenestriche werden aufgrund ihrer einfachen Zusammensetzung (Sand, Bindemittel, Wasser, evtl. Estrichzusatzmittel, kurz EZM) häufig vor Ort aus einzelnen Komponenten entsprechend der jeweiligen Anforderungen an die vorgegebene Güte im Objekt gemischt und hergestellt. Dagegen sind Bodenspachtelmassen aufgrund ihrer komplexen Rezepturen (oft mehr als 10 Einzelkomponenten) immer als Werktrockenmörtel meist als Sackware, in wenigen Fällen als Siloware vorgefertigt, sodass nur noch die exakt vorgegebene Menge Wasser bei entsprechender Rührzeit hinzugefügt werden muss. Anders als beim Estrich gibt es bei der Verarbeitung einer Spachtelmasse keine Möglichkeit individuelle Anpassungen vorzunehmen.

In der Praxis werden Bodenspachtelmassen auch unter Berücksichtigung der hohen Anforderungen an die Ebenheit vor der Verlegung der Bodenbeläge nahezu ausschließlich von den Gewerken auf den Estrichen aufgebracht, die später auch die Beläge aufarbeiten. Dies erfolgt im Regelfall auch erst nach der Feststellung der Belegreife der Estriche, die ja bekanntermaßen meist vom Nachfolgegewerk des Estrichlegers überprüft wird. Somit setzt das Aufarbeiten einer Bodenspachtelmasse auf der Oberfläche eines Estrichs nach erreichen Belegreife unter anderem die ausreichende Trocknung des Untergrunds voraus und findet damit in der Endphase des Innenausbaus der Objekte statt und nicht in der Rohbauphase.

Überspitzt ausgedrückt haben Spachtelmassen und Estriche außer der häufig grauen Farbgebung und der horizontalen Einbauposition innerhalb einer Fußbodenkonstruktion kaum weitere Gemeinsamkeiten. Die Etablierung einer eigenständigen Anwendungsnorm für Bodenspachtelmassen ist eigentlich längst überfällig und wird sich für die Gewerke im Fußbodenbau als sehr nützlich und hilfreich erweisen. Aus diesen Gründen beteiligen sich die Autoren dieses Beitrags aktiv an der Normung von Bodenspachtelmassen.

Dieser Fachbeitrag ist erschienen in Parkett Magazin 01/2024.
Bodenhandwerk: Warum Spachtelmassen eine eigenständige Anwendungsnorm benötigen
Foto/Grafik: Uzin
Großflächige Spachtelschichten werden mittels Rakeltechnik aufgebracht.
Bodenhandwerk: Warum Spachtelmassen eine eigenständige Anwendungsnorm benötigen
Foto/Grafik: Uzin Utz
Dr. Norbert Arnold ist Leiter der Technischen Sortimentsentwicklung bei Uzin Utz und Vorsitzender der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB).
Bodenhandwerk: Warum Spachtelmassen eine eigenständige Anwendungsnorm benötigen
Foto/Grafik: Kison
Der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für das Parkettlegerhandwerk und Bodenlegergewerbe Dominik Kison ist Leiter des Instituts für Fußbodentechnik in Herschbach.

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